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Heinz
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Umgangsrecht

von Heinz am 22.02.2009 22:42

Umgangsrecht

Dieser Artikel bietet einen kompakten Überblick über das Umgangsrecht als Recht des Kindes, das nur bei Gefährdung des Kindeswohls eingeschränkt oder ausgeschlossen werden darf.

Kinder haben ein Recht auf Umgang mit allen Personen, zu denen sie enge Bindungen haben. Sie sollen sich selbst ein Bild von diesen Menschen machen können. Dazu dient das Umgangsrecht, das sich auf drei Bereiche erstreckt:

*

den persönlichen Umgang durch Besuche
*

den telefonischen Umgang
*

den brieflichen Umgang.

Eltern sind – unabhängig vom Sorgerecht - zum Umgang mit ihrem Kind verpflichtet und berechtigt. Der Umgang kann nur eingeschränkt oder ausgeschlossen werden, soweit er dem Kind schadet. Darüber hinaus sind auch noch andere Personen umgangsberechtigt, sofern es dem Kind dient. Im einzelnen erfasst das Umgangsrecht folgende Personenkreise:

1. Eltern,
soweit es dem Kind nicht schadet (§ 1684 BGB). Dies bedeutet, dass die Eltern – unabhängig vom Sorgerecht, hier kommt es nur auf Abstammung an – in jedem Fall ein Recht auf Umgang mit dem Kind haben. Dies kann nur ausgeschlossen oder eingeschränkt werden, wenn auf Grund konkreter Tatsachen ein Schaden für das Kind befürchtet werden muss.

2. Andere Personen,
zu denen das Kind eine Bindung hat wie bspw. Großeltern, Geschwister, Stiefeltern, mit denen das Kind längere Zeit zusammen gelebt hat, Pflegeeltern, bei denen das Kind längere Zeit gelebt hat (§ 1685 BGB). Dieses Umgangsrecht dient lediglich dem Erhalt von Bindungen. Es verschafft keinen Rechtsanspruch auf den Neuaufbau von Beziehungen. Die Personen haben nur dann ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn dies dem Kind dient.

Ort, Zeit und Rhythmus des Umgangs sind individuell abzusprechen. Es gibt keine gesetzliche Verpflichtung eines bestimmten Rhythmusses (bspw. 14-tägiger Umgang). Dies ist wegen der Vielzahl von Familienkonstellationen auch nicht gewollt. Grundlage der Absprachen ist das Kindeswohl, dies bedeutet jedoch nicht, dass leibliche Eltern und Pflegefamilie sich bei den Absprachen nur am Kind orientieren müssen.

Beim Umgang gilt ein Wohlverhaltensgebot für Eltern und Pflegeeltern. Sie haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zu der jeweils anderen Familie beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert (§ 1684 II BGB). Das bedeutet, dass keiner über den anderen Lästern, diesen schlecht machen oder seine Erziehungsmethoden unsachlich angreifen darf. Dies würde dem Kindeswohl schaden, weil das Kind dadurch in Loyalitätskonflikte gestürzt werden kann. Eine kritische aber sachliche Diskussion mit dem Kind über die jeweils andere Familie schliesst dieses Verbot jedoch nicht aus.

Der Umgang kann bei Eltern nur eingeschränkt oder ausgeschlossen werden, wenn das Kindeswohl durch den Umgang gefährdet ist (§ 1684 IV BGB). Eine Gefährdung kann sowohl physischer Art (gewalttätige Übergriffe) als auch psychischer Art (starke Loyalitätskonflikte, Ängste, Gefahr der Retraumatisierung) sein.

Bei der Beurteilung der Gefährdung ist auf den Blickwinkel des Kindes zu achten. Beispielsweise kann die objektive Gefahr von gewalttätigen Übergriffen durch eine Begleitung des Umgangs ausgeschaltet werden, das Kind kann dennoch unter Angstzuständen leiden, wenn der Umgang stattfindet. In einem solchem Fall schadet der Umgang dem Kind auch wenn objektiv keine Gefahr für das Kind besteht.

Die Einschränkung des Umgangs ist als geringeres Mittel grundsätzlich dem Ausschluss vorzuziehen. Umgangseinschränkungen können sein, dass der Umgang nur an einem neutralen Ort oder / und in Begleitung Dritter stattfindet. Wird der Ausschluss des Umgangs ausgesprochen, steht den Eltern ein Auskunftsrecht zu.

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Heinz
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Formen der Kindeswohlgefährdung

von Heinz am 22.02.2009 22:40

Formen der Kindeswohlgefährdung

Ute Walliser, Psychologin des Instituts für Rechtspsychologie Halle, stellte das Verfahren aus Sicht der gerichtlichen Gutachterin dar, indem sie am Beispiel von Bindungen anschaulich dokumentierte, wie Gerichtspsychologen arbeiten.

1. Kindeswohlgefährdungen

Im nachfolgenden Beitrag werden zunächst die Formen der Kindeswohlgefährdung, die in der psychologischen Begutachtung auftreten, vorgestellt. Dem schließt sich eine Darstellung von Kindheitsbedingungen an, die als Risiken für die psychische Gesundheit im Erwachsenenalter anzusehen sind. Exemplarisch wird veranschaulicht, wie spezifische Kindheitsbelastungen und damit einhergehende neurologische und psychologische Veränderungen beispielsweise zur Entwicklung depressiver Störungen im Erwachsenenalter führen können.

Ergebnisse aus einer eigenen Studie zu Kindheitsbelastungen und Gesundheit werden vorgestellt. Eine Erläuterung spezifischer Bindungsstile und –störungen schließt sich an. Die Funktion und Entstehung von Bindungen wird dabei erörtert. Der Zusammenhang von kindlicher Bindung und elterlicher Erziehungskompetenz erscheitn dabei wesentlich.

Abschließend erfolgt eine Illustration der Tätigkeit des psychologischen Sachverständigen im Rahmen der familienpsychologischen Begutachtung am Beispiel von Binudngen und Bindungsstörungen. Spezifische Strategien der Erhebung von Bindungen und Beziehungsstörungen werden hierzu vorgestellt.

Eine sorgfältige Unterscheidung zwischen den verschiedenen Formen der Kindeswohlgefährdung erscheint wesentlich und bedingt differentielle Strategien familienpsychologischer Begutachtung. MÜNDER (2000) unterscheidet folgende Formen der Kindeswohlgefährdung,

* Vernachlässigung,
* Misshandlung,
* Missbrauch, von Erwachsenenkonflikten um Trennung, Herausgabe und Umgang
* Autonomiekonflikte Jugendlicher.


Bei Vernachlässigung und Misshandlungen ist mit einer Verunsicherung oder Bindungsstörungen zu rechnen. Psychologisches Wissen und die Vorgehensweise in der Begutachtung bei solchen traumatisierten Kindern lässt sich jedoch nicht ohne weiteres auf Kinder in Umgangs- oder Sorgerechtskonflikten übertragen.

Bei der Begutachtung traumatisierter Kinder steht zunächst die Diagnostik des Entwicklungsstandes und kindlicher Kompetenzen im Vordergrund. Hausbesuche in der Primärfamilie dienen u.a. der Einsicht in die Betreuungs- und Versorgungssituation. Untersuchungen der familiären Beziehungen können zur Abklärung möglicher Bindungsstörungen beitragen. Dagegen kann bei Umgangskonflikten die Begutachtung der Betreuung- und Versorgungssituation ein untergeordnetes Ziel darstellen. Die Diagnostik familiärer Beziehungen und Bindungen steht meist im Mittelpunkt. Bindungsstile werden beispielsweise im Rahmen von Interaktionsbeobachtungen erfasst, auch um den kindlichen Willen bei sehr kleinen Kindern zu ersetzen. Hypothesen zu Bindungsstörungen sind ebenfalls möglich. Man sieht sich beispielsweise auch mit grenzüberschreitendem Elternverhalten, symbiotischen Bindungen oder Instrumentalisierungen der Kinder als Partnerersatz konfrontiert.


2. Kindheitsbelastungen als Risikofaktoren für die Gesundheit im Erwachsenenalter


In empirischen Längsschnittstudien werden Risikofaktoren der kindlichen Entwicklung und deren Auswirkungen auf körperliche und psychische Gesundheit im Erwachsenenalter untersucht. Auf der Bezugspersonenebene sind hier u.a.

* Gewalt
* chronische Konflikte
* schwere körperliche bzw. psychische Krankheit (u.a. Sucht)

zu nennen. Diese sind Beispiele für chronisch stressreiche Lebensbedingungen des Kindes.
Solche Belastungen erhöhen die Gefahr der Entwicklung von psychischen Beeinträchtigungen im Erwachsenenalter. Insbesondere deren kumulatives Einwirken auf die Entwicklung des Kindes führt zu einer erhöhten Vulnerabilität (ESSER, 1994). Ausführliche Darstellungen von Risikofaktor-Modellen finden sich u.a. bei FELITTI (2002) und EGLE ET AL. (2005).

Neuere Studien verdeutlichen die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtungsweise. Etwa eine frühzeitige Krippenbetreuung (ab dem 1. Lebensjahr) wurde bislang als Risikofaktor im Sinne einer frühzeitigen Trennung angesehen. Eine Studie von ZIEGENHAIN (1998) weist nunmehr darauf hin, dass sich nicht die Trennung als solche, sondern die Gestaltung des Übergangs in die Krippe (Anwesenheit der Mutter in der Eingewöhnungszeit) auf die Entwicklung der Bindungssicherheit des Kindes auswirkt. In einer eigenen Studie werden die Folgen stressreicher Kindheitsereignisse auf den Verlauf einer körperlichen Krankheit im Erwachsenenalter untersucht. Die Resultate zeigen u.a., dass der Tod eines Elternteils oder eine Trennung von der Bezugsperson per se keine Auswirkungen auf die Krankheitsbewältigung erkennen lassen (WALLISER, 2005).

Andere Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass es die Konflikte vor bzw. im Zusammenhang mit einer Trennung oder Scheidung sind, die sich negativ auf das psychische Wohl des Kindes auswirken. Aus aktuellen Forschungsergebnissen lässt sich demnach ableiten, dass nicht die Trennung als solche, sondern deren Begleiterscheinungen zu Konsequenzen für die weitere Entwicklung des Kindes führen.

Auf der Ebene des Kindes wird angenommen, dass eine unsichere Bindung alleine nicht als Risiko für die Entwicklung psychischer Beeinträchtigungen im Erwachsenenalter anzusehen ist. In Verbindung mit weiteren Belastungsfaktoren erhöht sich jedoch das Risiko für spätere Verhaltensprobleme. Bei der Beurteilung der Auswirkungen von Risikofaktoren sollte insbesondere das Alter und der Entwicklungsstand des Kindes ebenso wie Kompensationsmöglichkeiten durch sogenannte protektive Faktoren berücksichtigt werden. Hierbei kann eine sichere Bindung wiederum als Schutzfaktor wirken. Eine sichere Bindung im Kindesalter ist u.a. mit günstigen Bewältigungskompetenzen und positivem Selbstgefühl im Erwachsenenalter assoziiert.

Eine Studie von RAPHAEL (2001) untersucht in der Kindheit durch sexuellen Missbrauch, Misshandlung und Vernachlässigung (vor dem 11. Lebensjahr) traumatisierte Erwachsene (juristisch dokumentierte Fälle). Die Studienteilnehmer werden in Bezug auf Kindheitsbelastungen und Schmerzerkrankungen im Erwachsenenalter befragt. Verglichen werden faktische Dokumentationen von Kindheitstraumatisierungen mit retrospektiven Selbsteinschätzungen kindlicher Belastung. Die Resultate zeigen, dass 75% der Personen mit dokumentierten Traumatisierungen bei der Befragung angaben, Belastungen erlebt zu haben. 49% der Teilnehmer ohne dokumentierte Angaben von Traumatisierungen gaben ebenfalls stressreiche Kindheitsereignisse an. Dieses Ergebnis weist u.a. könnte ebenfalls auf Kompensationsmöglichkeiten durch protektive Faktoren hin.

Insgesamt weisen aktuelle Forschungsergebnisse auf die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung von Risiko- und Schutzfaktoren und deren jeweils spezifische Auswirkungen auf die Gesundheit im Erwachsenenalter hin.


3. Ätiologie der Depression

Kindheitstraumata bedingen ein erhöhtes Risiko für psychische Probleme im Erwachsenenalter. Im Folgenden wird beispielhaft vorgestellt, welche kausalen Mechanismen zwischen belastenden Kindheitsbedingungen und depressiven Erkrankungen im Erwachsenenalter von modernen Depressionstheorien postuliert werden.

In seinem psychobiologischen Modell der Depressionsentstehung zeigt ALDENHOFF (2000) modellhaft die stufenweise Ätiologie der Depression. Das frühzeitige Stresserleben in der Kindheit kann dabei, auch über die Veränderung neurologischer Strukturen, zum Auftreten einer depressiven Störung im Erwachsenenalter führen (vgl. Abbildung).


4. Studienergebnisse

In einer eigenen Studie wird bei Patienten mit einem eindeutig somatischen Krankheitsbild, dem bandscheibenbedingten Rückenschmerz, gezeigt, wie sich frühe Stressbelastungen (der ersten zwölf Lebensjahre) auf die Schmerzverarbeitung und Entstehung depressiver Störungen auswirken (WALLISER, 2005). Mit den Patienten wird u.a. ein standardisiertes biographisches Interview zu Kindheitsbelastungen durchgeführt.

Die Studienteilnehmer, akute Schmerzpatienten mit einem Durchschnittsalter von 40 Jahren und einer mittleren Schmerzdauer von 3 Monaten, werden bei Klinikaufnahme und sechs Monate nach ihrer Entlassung untersucht. Personen, die in ihrer Kindheit

* chronische Konflikte zwischen den Bezugspersonen,
* Suchterkrankungen der Bezugspersonen,
* Misshandlungen,
* Tod einer Bezugsperson und
* Sexuellen Missbrauch

erlebt haben, sechs Monate nach der Entlassung aus der Klinik über stärkere Schmerzen klagen als Personen ohne diese belastenden Kindheitsbedingungen. Mit dem summativen Ausmaß stressreicher Kindheitsereignisse steigt die Schmerzstärke sechs Monate nach Entlassung kontinuierlich an.

Außerdem führt ein starker akuter Schmerz bei Personen mit ausgeprägter Kindheitsbelastung zu höheren Depressivitätswerten, als bei Teilnehmern mit wenig belastenden Kindheitsbedingungen. Patienten mit hoher und geringer Kindheitsbelastung weisen bei ihrer Aufnahme in die Klinik einen vergleichbaren Depressivitätswert auf. Sechs Monate nach ihrer Entlassung unterscheiden sie sich in ihrem durchschnittlich Depressivitätsausmaß in bedeutsamer Weise.


5. Bindungsstile und -störungen

Verunsicherungen und insbesondere Störungen kindlicher Bindungen können als Risiken für die spätere Gesundheit im Erwachsenenalter angesehen werden. Sichere Bindungen gelten dagegen als protektive Faktoren. Vor dem Hintergrund der dargestellten empirischen Ergebnisse erweist sich die Diagnostik kindlicher Bindungen als wesentliche Basis familienpsychologischer Begutachtung. Deshalb werden im folgenden Abschnitt zunächst wichtige Erkenntnisse der Bindungstheorie vorgestellt. Anschließend sollen Strategien der Bindungsdiagnostik erläutert werden.

Als Bindung wird ein dauerhaftes, d.h. über Ort und Zeit hinweg persistierendes emotionales Band zwischen zwei Individuen definiert. Dieses wird durch die inneren Repräsentanzen der Bindungspartner charakterisiert. Es entsteht auf der Grundlage der Interaktionserfahrungen der Bindungspartner (HEDERVARI, 1995).

Juristisch wird der Begriff der Bindung in einem umfassenden Sinn, der alle Beziehungsebenen des Kindes zu einer Bezugsperson meint, verstanden. Bindung hat keine höhere Wertigkeit gegenüber anderen Kriterien wie etwa Kontinuität oder Betreuungsmöglichkeiten (SALZGEBER, 2001).

Aus psychologischer Perspektive steht demgegenüber der Vertrauensaspekt einer Beziehung im Vordergrund. Eine sichere Bindung vermittelt dem Kind das Gefühl von Geborgenheit. Diese entsteht durch adäquates Reagieren der Bezugsperson auf die Bedürfnisse des Kindes („Feinfühligkeit“). Elterliche Feinfühligkeit ist daher ein wichtiger Teil der Erziehungskompetenz.

Kindliche Bindungen dienen der Überlebenssicherung und stellen ein Motivationssystem in Stress und Gefahrensituationen dar. Bindungsverhalten ist im Weinen, Kontaktsuchen, Krabbeln, Nachlaufen, Anklammern des Kindes zu erkennen. Die Entstehung kindlicher Bindungen erfolgt im ersten Lebensjahr zu einer oder mehreren Bezugspersonen nach folgendem zeitlichen Ablauf (vgl. AINSWORTH ET AL., 1973):

1. 0-3 Monate, Vorphase: Orientierung und Signale ohne Unterscheidung der Person
2. 3-7 Monate, Phase der Personen unterschiedene Ansprechbarkeit: Kind wendet seine Signale bevorzugt spezifischen vertrauten Personen zu und erweitert sein Repertoire an Bindungsverhalten.
3. 7 Monate, Phase der eigentlichen Bindung: Aufrechterhaltung von Nähe aktiv durch Fortbewegung und Signale.
4. 2-3 Lebensjahr, Phase der zielkorrigierten Partnerschaft: Innere Arbeitsmodelle stabilisieren sich. Es entsteht zunehmend eine zielkorrigierte Partnerschaft zwischen Bindungspartnern. Kind beginnt, Ziele und Pläne der Bezugspersonen einzubeziehen und zu berücksichtigen.


Die Stärke einer Bindung ist unabhängig von ihrer Qualität. Auch misshandelte Kinder können eine starke, intensive oder tiefgreifende Bindung an ihre Bezugsperson haben. Die Qualität ist dagegen abhängig vom Temperament des Kindes, dem Verhalten, d.h. der Feinfühligkeit der Bezugsperson sowie deren Bindungsrepräsentanzen. Letztere beruhen auf eigenen Beziehungserfahrungen. Bindung meint nicht Abhängigkeit, sondern sie ermöglicht im besten Falle zunehmende Autonomieentwicklung eines Kindes, wenn es über eine sichere emotionale Ausgangsbasis verfügt.
Unsichere Bindungen sind als normale Bindungsqualitäten anzusehen und stellen keine Störungen im klinischen Sinne dar. Die in der folgende Abbildung aufgeführten Bindungsqualitäten bzw. –stile und –störungen werden differenziert (Brisch, 1999).

Stile

* Sicher
* Unsicher - vermeidend
* Unsicher – ambivalent
* Desorganisiert


Störungen

* Ohne Bindungsverhalten
* Undifferenziert
* Übersteigert
* Gehemmt
* Aggressiv
* Psychosomatisch



Die folgende exemplarische Beschreibung spezifischer Bindungsstörungen beruht auf einer Darstellung von BRISCH (1999).

Kinder mit einer Störung „ohne Anzeichen von Bindungsverhalten“ zeigen vermeidendes Bindungsverhalten in Extremform. Auf Trennungssituationen reagieren sie mit undifferenziertem Protest oder zeigen keine Reaktion. Diese Störung findet man gehäuft bei Heimkindern oder bei Kindern mit vielfältigen Beziehungsabbrüchen.

Bei sogenanntem „übersteigertem Bindungsverhalten“ findet man eine Neigung zu exzessivem Klammern. Die betreffenden Kinder fühlen sich nur in absoluter Nähe zur Bindungsperson ruhig. Sie zeigen eine Überängstlichkeit in neuen Situationen. Auf Trennungen reagieren sie mit panischer Angst. Solche Bindungsstörungen treten beispielsweise bei Kindern von psychisch kranken Müttern auf (z.B. Angststörungen). Die Bezugspersonen können ihre Verlustängste auf ihre Kinder übertragen und instrumentalisieren sie zur eigenen emotionalen Absicherung.

Bei Störungen mit „gehemmtem Bindungsverhalten“ findet man übermäßige kindliche Anpassungshaltungen. Eigene Bedürfnisse werden unzureichend artikuliert. Solche Störungen können beispielsweise nach körperlicher Misshandlung auftreten und insofern einen diesbezüglichen Verdacht nahe legen.

Kindliches Bindungs- und elterliches Fürsorgeverhalten sind als komplementär anzusehen. Während Bindungsverhalten dazu dient, Nähe und Sicherheit herzustellen, dient das Fürsorgeverhalten der Herstellung einer positiven Befindlichkeit beim Kind. Im Rahmen eines emotionalen Dialoges zwischen Bezugsperson und Kind werden wechselseitig Signale verstanden. Die Bezugsperson bestätigt durch emotionale Reaktionen kleinste Lernfortschritte des Kindes und verstärkt diese mit Lächeln, Freude und weiteren verbalen und nonverbalen Signalen. Dem Kind wird dadurch ein Gefühl der Kompetenz vermittelt. Es wird motiviert, Neues zu erkunden und zum Lernen angeregt. Das Selbstvertrauen und die Selbstwirksamkeit des Kindes wird gestärkt. Wenn dieser Dialog etwa auf Grund fehlender elterlicher Feinfühligkeit z.B. im Rahmen einer schweren psychischen Störung oder spezifischen Behinderung der Bezugsperson fehlschlägt, wird Ängstlichkeit, Unsicherheit, Hilflosigkeit gefördert, das Lernen erschwert und kindliche Erkundungen gehemmt.

In Bezug auf eine Scheidungssituation kann elterliche Feinfühligkeit beispielsweise darin bestehen, ein betroffenes Kind in angemessener Weise über die elterliche Trennung und den Weggang eines Elternteils zu informieren. Damit kann vermieden werden, dass die Situation vom Kind schuldhaft verarbeitet wird. Offenes Reden über Sorgen, Befürchtungen und Wünsche des Kindes, ohne die Situation zu beschönigen stellt ebenfalls feinfühliges Elternverhalten dar. Vom Grad elterlicher Feinfühligkeit hängt es ab, ob ein Elternteil hier das richtige Maß findet. Wenn das Bedürfnis nach elterlicher Entlastung im Vordergrund steht, wird das Kind oft in grenzüberschreitender und überfordernder Weise über den Partnerkonflikt informiert.



6. Familienpsychologische Begutachtungsstrategien

In der familienpsychologischen Begutachtung wird das Kindeswohl als Zusammenspiel verschiedener Kriterien angesehen. Diese lassen sich der Bezugspersonen- und der Kindebene zuordnen (SALZGEBER, 2001).

Die gerichtliche Fragestellung gibt vor, welche Kriterien im Vordergrund der Begutachtung stehen. In einem Trennungs- und Scheidungsverfahren ist es möglich, dass die Frage nach dem uneingeschränkten Willkommensein, die Betreuungssituation und die Erziehungsfähigkeit unstreitig erscheinen. Hingegen können beispielsweise Bindungstoleranz, Kontinuität und Kooperation in Frage stehen. Wenn der Sachverständige allerdings aus psychologischer Sicht einen Lebensmittelpunkt des Kindes empfehlen soll, werden neben den Bindungen auch die elterliche Feinfühligkeit und die konkreten Erziehungsbedingungen exploriert. Grundsätzlich geht es nicht um eine möglichst umfassende Erhebung sämtlicher Kindeswohlkriterien, sondern um eine differenzierte Betrachtung der wesentlichen Faktoren, die sich aus der gerichtlichen Fragestellung ableiten.

Auf Seiten des Kindes bestehen verschiedene Möglichkeiten Bindungen zu diagnostizieren. Der „Fremde-Situations-Test“ (vgl. AINSWORTH & WITTIG, 1969) kann etwa ab dem achten bis etwa zum 20. Lebensmonat eingesetzt werden.

Da Bindungen als ein „theoretisches Konstrukt“ zu betrachten sind, können sie nicht direkt erfasst bzw. gemessen werden. Bei jüngeren Kindern wird insbesondere aus dem Verhalten in Trennungssituationen auf die Bindung und deren Qualität geschlossen. Schon am Ende des ersten Lebensjahres haben die Kinder primitive Vorstellungen und Erwartungen an das Verhalten ihrer Bezugsperson entwickelt und ihr Verhalten daran angepasst. Aus Reaktionen in kritischen Situationen wird auf diese kindlichen Erwartungen geschlossen.

Wenn ab etwa drei Jahren fortgeschrittene sprachliche und kognitive Fähigkeiten vorhanden sind, kann die Qualität ihrer Bindungen aus Handlungen und Erzählungen erschlossen werden. Dazu werden standardisierte Bedingungen vorgegeben. Man geht davon aus, dass eine mentale Vorstellung durch die konkrete Interaktionserfahrung mit den Bindungspersonen entsteht. Diese können in ihrer Qualität sicher oder unsicher sein.

Auch im symbolischen Spiel über Geschichten oder Satzergänzungsverfahren werden Ereignisschemata zu spezifischen Erfahrungen angesprochen. In der mittleren Kindheit können daher in Puppenspielen mit Familienfiguren Erfahrungen mit Trennung und emotionaler Sicherheit erhoben werden.

Beim „Separation-Anxiety-Test“ (HANSBURG, 1980) werden Trennungsbilder vorgelegt und mit der Aufforderung verbunden, zu erzählen, was vom Kind wahrgenommen wird. Über die Produktion von Geschichten anhand nichtsuggestiver Befragungstechniken werden die kindlichen Vorstellungen von Bindung erfasst.

Der „Fremde-Situations-Test“ (vgl. AINSWORTH & WITTIG, 1969) soll auf Grund seines häufigen Einsatzes in der Familienbegutachtung nachfolgend vorgestellt werden. Ziel des Verfahrens ist die standardisierte Beobachtung von Bindungs- und Explorationsverhalten. Der Test besteht aus den folgenden acht Episoden, die zwei Trennungen und zwei Wiedervereinigungsszenen beinhalten:

1. Untersucher führt Mutter und Kind in Raum
2. Mutter und Kind bleiben allein im Raum, Mutter liest, Kind spielt
3. Fremde kommt hinzu, stellt sich vor, nähert sich dem Kind
4. Mutter geht, Fremde bleibt mit Kind allein
5. Mutter kommt zurück: Wiedervereinigungsszene
6. Mutter geht wieder, Kind allein
7. Fremde kommt und interveniert wenn nötig
8. Mutter kommt zurück: Wiedervereinigungsszene

Für die Bestimmung der Bindungsqualität werden die Wiedervereinigungssituationen anhand der unten aufgeführten Ratingskalen vom Untersucher bewertet. Es stehen dabei die Dimensionen Nähesuchen, Kontaktverhalten, Widerstand gegen Körperkontakt und Vermeidungsverhalten im Vordergrund.

Nachfolgend werden die daraus abgeleiteten Bindungsqualitäten stichwortartig beschrieben.

(A) Unsicher-vermeidende Bindung (ca. 10-20% der Bevölkerung): Geringe Artikulation von Bindungsbedürfnissen in Belastungssituationen, Vermeiden der Nähe zur Bezugsperson. Explorationsverhalten überwiegt, Anpassung an die Erwartungen der Bezugsperson, frühe Selbständigkeit bzw. Selbstregulation der Emotionen Angst und Ärger.

(B) Sichere Bindung (ca. 70%): Kind zeigt seine emotionale Belastung, kann aber auch leicht beruhigt werden. Äußern von Bedürfnissen, Missstimmungen und Kummer, wissen, dass sie getröstet werden, stützen sich in Not- und Stresssituationen auf ihre Bezugsperson, die als verlässlich erlebt werden.

(C) Unsicher-ambivalente Bindung (ca. 5-10%): Kind zeigt wenig Explorationsverhalten und erscheint von vorneherein belastet, bei Trennungen sehr stark beunruhigt. Bei Wiedervereinigung mit der Bezugsperson wechseln das Suchen von Nähe und Unmutsäußerungen ab (kindliche Ambivalenz). Das Kind lässt sich von der Bezugsperson kaum beruhigen. Die Bezugsperson erscheint ebenfalls wechselhaft (ambivalent) und wenig nachvollziehbar in ihren erzieherischen Interventionen, einerseits zeigt sie übermäßige Zuwendung andererseits erscheint sie hilflos. Übertriebene Gefühlsäußerungen des Kindes dienen dazu, die Aufmerksamkeit der Bezugsperson zu erregen und diese emotional abzusichern. Das Kind ist von seinen Bemühungen gegenüber der Bezugsperson stark in Anspruch genommen und kann daher kaum explorieren.

(D) Unsicher desorientierte Bindung (5-10%): Es treten stereotype Verhaltensweisen auf, die inadäquat bezüglich der Situation erscheinen, wie etwa Erstarren, ins Leere blicken. Das Kind hat keine adäquate Verhaltensstrategie für eine Notsituation verfügbar. Bindungsstörungen können infolge von Misshandlungen, Vernachlässigung auftreten.

Im Rahmen der familienpsychologischen Begutachtung kann u.a. die Übergabesituation der Bezugspersonen bei Trennungs- bzw. Scheidungskindern vom Sachverständigen als kritische Situation des Kindes beobachtet werden.

Im „Separation-Anxiety-Test“ wird mit Abbildungen gearbeitet, die Trennungssituationen zeigen. Der Test beruht auf der Annahme, dass die Reaktionen von Kindern auf Trennungsbilder Rückschlüsse auf eigene Erfahrungen und also auf ihre Bindungsrepräsentationen zulassen. Die Abbildungen zeigen beispielsweise folgende Situationen:
1. Eltern gehen abends aus und lassen das Kind zu Hause
2. Eltern fahren über Wochenende weg und lassen Kind bei Onkel/Tante
3. Erster Schultag
4. Eltern verreisen für zwei Wochen und machen Kind vor Abfahrt ein besonders attraktives Geschenk
5. Eltern schicken Kind zum Spielen in den Park, weil sie sich alleine unterhalten wollen
6. Bezugsperson bringt Kind ins Bett und verlässt das Zimmer

Zu den Abbildungen werden Fragen gestellt: Wie fühlt sich das Kind auf dem Bild? Was könnte das Kind tun, wie wird es reagieren? Hierdurch sollen kindliche Gefühle und Bewältigungsfähigkeiten in Belastungssituationen erfasst werden.

Die Antworten werden folgenden Kategorien zugeordnet:
1. Wenn das Kind konstruktiv mit einer Trennungs- bzw. Belatsungssituation umgeht und Gefühle artikuliert, wird dies als „resourceful“ bewertet.
2. Wenn das Kind sich als belastet erlebt, hilflos erscheint und keine Bewältigungsmöglichkeiten sieht, wird dies einer „unsicher-inaktiven“ Bindung zugeordnet.
3. Wenn das Kind widersprüchliche Angaben macht und dazu neigt, den Eltern gefallen zu wollen, entspricht dies einem unsicher-ambivalenten Muster.
4. Wenn das Kind unbestimmte Furcht, desorientierte Gedanken bei fehlenden konstruktiven Strategien artikuliert, wird diese Reaktion als „desorganisiert“ kategorisiert.

Bei der Beobachtung einer realen Übergabesituation in der familienpsychologischen Begutachtung haben sich die unten aufgeführten Dimensionen nach HACKENBERG ET AL. (1984) bewährt. Da Bindungs- und Explorationsverhalten zueinander in einer komplementären Beziehung stehen, können aus einem Vergleich der Verhaltensweisen des Kindes beim Hausbesuch (vertraute Umgebung) und in der Untersuchungssituation (fremde Situation) Rückschlüsse gezogen werden.

In einer freien Spielsituation, in der kein Bindungsverhalten aktiviert wird, werden dagegen Merkmale der Eltern-Kind-Kooperation, des kindlichen Temperaments sowie der elterlichen Förderkompetenzen erfasst und ebenfalls beurteilt. Hierzu können beispielsweise die unten aufgeführten Ratingskalen nach HACKENBERG ET AL. (1984) herangezogen werden.



7. Zusammenfassung

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass im Rahmen der psychologische Begutachtung auf der Ebene der Bindungen im Kindesalter, Risiken gesehen werden, für psychische Beeinträchtigungen oder gar Störungen im Erwachsenenalter.

Aktuelle Forschungsergebnisse weisen auf die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung von Risiko- und Schutzfaktoren und deren jeweils spezifische Auswirkungen auf die Gesundheit im Erwachsenenalter hin. Die Bindungsforschung zeigt, dass elterliche Feinfühligkeit als Teil der Erziehungskompetenz und die sich entwickelnde Bindung als komplementär anzusehen sind.

Zur Verbesserung diesbezüglicher elterlicher Kompetenzen, kann ein sogenanntes „Feinfühligkeitstraining“ empfohlen werden. Solche Maßnahmen werden jedoch bislang nur höchst selten angeboten. Ein dringender Bedarf wird insbesondere bei der psychologischen Begutachtung psychisch kranker oder behinderter Eltern deutlich.

Elterntrainings, wie etwa „Triple-P“ können außerdem einen, auch präventiven Beitrag leisten. Sie zielen auf eine Verbesserung der Eltern-Kind-Kommunikation und der Erziehungsfähigkeit und wirken somit auch auf die kindlichen Bindungen.

Der psychologische Sachverständige ist seitens der Eltern außerdem häufig mit Wissensdefiziten konfrontiert. In den Frankeschen Stiftungen zu Halle wird im Bereich der Erziehungswissenschaften aus solchen Gründen derzeit angedacht, wissenschaftliche Arbeiten zum Thema „Erziehung als Unterrichtsfach“ durchzuführen.

Literatur
· ALDENHOFF, J. (2000). Psychobiologie der Depression. Nervenheilkunde, 5, 280-285.
· AHNERT, L. (2005). Frühe Bindung. München: Reinhardt.
· AINSWORTH, M. D. S. & WITTIG, B. A. (1969). Attachment and the exploratory behavior of one-years-olds in a strange situation. Hilssdale, NJ: Erlbaum.
· AINSWORTH, M. D. S. (1973). The development of infant-mother- attachment. In B. M. Caldwell & H. N. Riciutti (Hrsg.), Review of child development research, 3. Chicago: University of Chicago Press.
· BRISCH, H. (1999). Bindungsstörungen. Von der Bindungstheorie zur Therapie. Stuttgart: Klett-Cotta.
· EGLE, U. T., HOFFMANN. S. O. & JORASCHKY, P. (2005) (Hrsg.), Sexueller Missbrauch, Misshandlung, Vernachlässigung. Stuttgart: Schattauer.
· ESSER, G. (1994). Ablehnung und Vernachlässigung im Säuglingsalter. In P. Kürner & R. Nafroth (Hrsg.), Die vergessenen Kinder. Vernachlässigung und Armut in Deutschland. Köln: PapyRossa.
· FELITTI, V. J. (2002). The relationship of adverse childhood experiences to adult health: Turning gold into lead. Zeitschrift für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, 48, 359-169.
· GEORGE; C. & SOLOMON, J. (1999). Attachment and caregiving. in J. Cassidy & P. R. Shaver, (Eds.), Handbook of attachment. New York: Guilford.
· HACKENBERG, W., KRAUSE, D. & SCHLACK, H.G. (1984). Systematische Interaktionsbeobachtungen als Hilfsmittel für die Beurteilung der Eltern- Kind-Beziehung bei strittigem Sorgerecht. In H. Remschmidt (Hrsg.). Kinderpsychiatrie und Familienrecht. (S. 101-105). Stuttgart: Enke.
· HANSBURG, H. G. (1980). Adolescent separation anxiety. A method for the study of adolescent separation problems. Springfiled, IL: C. C. Thomas.
· HEDERVARI, E. (1995). Bindung und Trennung. Wiesbaden: Deutscher Universitätsverlag.
· Main, J. (1995). Desorganisation im Bindungsverhalten. In G. Spnagler & P. Zimmermann, (Hrsg.), Die Bindungstheorie. Stuttgart: Klett-Cotta.
· MAIN, M. & CASSIDY, J. (1988). Categories of response to reunion with the parent at age six., Developmental Psychology, 24, 415-426.
· MÜNDER, J. (2000). Familien- und Jugendhilferecht. Bd. 1, Famlienrecht. Neuwied: Luchterhand.
· RAPHAEL, K. G., WIDOM, C. S. & LANGE, G. (2001). Childhood victimization and pain in adulthood a prospective investigation. Pain, 92, 283-293.
· SALZGEBER, (2001). Familienpsychologische Gutachten. München: Beck.
· WALLISER, U. (2005). Kindheitsbelastungen, Depressivität und Risikoverhalten als Prädiktoren der Schmerzchronifizierung beim bandscheibenbedingten Rückenschmerz, in prep.
· WATERS, E. & DEANE, K.E. (1985). Definig and assessing individual deifferences in attachment relationships. Monographs of the Society for Research in Child Development, 50, 41-65.
· ZIEGENHAIN, U. (1998). Emotionale Anpassung von Kleinkindern an die Krippenbetreuung. In L. Ahnert (Hrsg.), Tagesbetreuung für Kinder unter drei Jahren. Theorien und Tatsachen. Bern. Huber.

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Kindeswohl und Kindeswille in der Praxis der Jugendämter und Gerichte

von Heinz am 22.02.2009 22:35

Kindeswohl und Kindeswille in der Praxis der Jugendämter und Gerichte

Hans Leitner, Diplom – Pädagoge von der Beratungsgesellschaft START, stellte heraus, dass eine Zusammenarbeit zwischen den Jugendämtern und Gerichten wegen der unterschiedlichen Rollen und des unterschiedlichen Selbstverständnisses zunächst schwierig erscheint, andererseits aber gelingen kann, wenn die eigenen Aufträge klar sind, das professionelle Selbstverständnis der jeweils anderen Seite anerkannt wird und die „Machtverhältnisse“ eher als Verantwortung und Kompetenzverteilung verstanden, ausgestaltet und erlebt werden.

Das Thema meines Vortages als Vorgabe der Veranstalter zielt gleichermaßen auf Jugendämter und Gerichte ab und macht damit, wenn vielleicht auch nicht vordergründig beabsichtigt einen Wunsch deutlich: Erwachsene seid euch im Interesse der Kinder einig. So berechtigt dieser Wunsch auch ist haben wir es mit Blick auf Jugendämter und Gerichte mit zwei unterschiedlichen Systemen zu tun, denen auch per Gesetz zwei unterschiedliche Aufträge bzw. Funktionen zugeschrieben sind, auch wenn eine Zusammenarbeit grundsätzlich angezeigt ist. Lassen Sie mich aus diesem „Tatbestand“ heraus einen kritischen Blick auf zwei Bereiche werfen, in deren Zusammenspiel Kindeswohl und Kindeswille nicht immer leicht auszubalancieren sind. Es geht hier also weniger um das Subjekt der Begierde, sondern eher um das „Schlachtfeld“.


Kindeswohl und Kindeswille – zwei zentrale Kategorien in der Jugendhilfe

Doch zunächst zu meinem Verständnis zu Kindeswohl und Kindeswille aus der Perspektive meiner Profession; der Jugendhilfe.

Zunächst bleibt ganz pragmatisch festzustellen, dass die Begriffe Kindeswohl und Kindeswille als solche im 1990 eingeführten SGB VIII, im Kinder- und Jugendhilfegesetz so nicht verfasst sind.

Bezogen auf das Wohl des Kindes wird dieses jedoch im SGB VIII in mehreren Kontexten direkt bestimmt, insbesondere als Handlungsgrundsatz bei der Ausgestaltung sozial- und ordnungspolitischer Aufgaben sowie als Auftrag bei der Ausführung von Leistungen des Gesetzes, so im:
§ 1 – Recht auf Erziehung, Elternverantwortung, Jugendhilfe,
§ 4 – Zusammenarbeit der öffentlichen Jugendhilfe mit der freien Jugendhilfe,
§ 17 – Beratung in Fragen der Partnerschaft, Trennung und Scheidung,
§ 18 – Beratung und Unterstützung bei der Ausübung der Personensorge,
§ 20 – Betreuung und Versorgung des Kindes in Notsituationen,
§ 22 – Grundsätze der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen,
§ 23 – Tagespflege
§ 27 – Hilfen zur Erziehung,
§ 37 – Zusammenarbeit bei Hilfen außerhalb der eigenen Familie,
§ 38 – Vermittlung bei der Ausübung der Personensorge,
§ 42 – Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen,
§ 44 – Pflegeerlaubnis,
§ 45 – Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung,
§ 46 – Örtliche Prüfung,
§ 50 – Mitwirkung in Verfahren vor dem Vormundschafts- und Familiengerichten,
§ 51 – Beratung und Belehrung in Verfahren zur Annahme als Kind,
§ 65 – Besonderer Vertrauensschutz in der persönlichen und erzieherischen Hilfe,
§ 87c – Örtliche Zuständigkeit für die Beistandschaft, die Amtspflegschaft, die Amtsvormundschaft und die Auskunft nach § 58a

Damit wird das Wohl des Kindes als inhaltlicher und sozialrechtlicher Begriff zur zentralen Kategorie des SGB VIII.

Bezogen auf den Willen des Kindes gibt es im SGB VIII keine direkten Bezüge. Dies ist verständlicher Weise dadurch zu erklären, dass sich die Durchsetzung des Willens eines Kindes aus rechtlicher Perspektive über die Personensorge realisiert und deshalb in diesem Kontext unmittelbar Eltern bzw. andere mit der Personensorge beauftragte Personen angesprochen sind. Und dennoch sind im SGB VIII auch direkte Bezüge zwischen dem Willen des Kindes und der eigenständigen Durchsetzung bestimmt. Hier sind die gegeben Rechtsbezüge allerdings „zu übersetzen“, so z.B. mit Blick auf:

§ 1 Recht auf Erziehung, Elternverantwortung, Jugendhilfe: in dem Sinne, dass jeder junge Mensch ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit hat.

§ 8 Beteiligung von Kindern und Jugendlichen: in dem Sinne, dass Kinder und Jugendliche das Recht haben, sich in allen Angelegenheiten der Erziehung und Entwicklung an das Jugendamt zu wenden.

§ 9 Grundrichtung der Erziehung, Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen: in dem Sinne, dass bei der Ausgestaltung der Leistungen und der Erfüllung der Aufgaben des SGB VIII die wachsenden Fähigkeiten und das wachsende Bedürfnis des Kindes oder des Jugendlichen zu selbständigem, verantwortungsbewusstem Handeln sowie die jeweiligen besonderen sozialen und kulturellen Bedürfnisse und Eigenarten junger Menschen ... zu berücksichtigen sind.

§ 11 Jugendarbeit: in dem Sinne, dass Angebote der Jugendarbeit an den Interessen von den jungen Menschen anknüpfen und von ihnen mitbestimmt und mitgestaltet werden sollen.

§ 42 Inobhutnahme: in dem Sinne, dass das Jugendamt verpflichtet ist, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet.

§ 80 Jugendhilfeplanung: in dem Sinne, dass die Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen ihrer Planungsverantwortung den Bedarf unter Berücksichtigung der Wünsche, Bedürfnisse und Interessen der jungen Menschen ... zu ermitteln haben.

Aus diesen Beispielen wird deutlich, dass sich der Begriff des Kindeswillen im SGB VIII u.a. über den Bezug auf die Rechte, Interessen, Wünsche, Bitten, Fähigkeiten und Bedürfnisse von jungen Menschen erschließt.

An dieser Stelle ein kleiner erklärender Ausflug in Richtung des sicher nicht ganz unumstrittenen Modells der Maslowsche Bedürfnispyramide, das ich als Denkmodell heranziehen möchte.
Maslow konstruiert eine Bedürfnispyramide ausgehende von den:
· Grundbedürfnissen nach Wasser, Luft, Nahrung, Unterkunft und Schlaf.
Darauf aufbauend ordnet er in einer Rangfolge weitere menschliche Bedürfnisse zu, die:
· Sicherheitsbedürfnisse im Sinne materieller, beruflicher und Lebenssicherheit,
· sozialen Bedürfnisse in Form von Liebe, Freundschaft und Gruppenzugehörigkeit,
· Ich-Bedürfnisse als Annerkennung, Geltung und Selbstachtung sowie
· Selbstverwirklichungsbedürfnisse, die in der Individualität, Güte, Gerechtigkeit und Selbstlosigkeit ihren Ausdruck finden.

Dabei geht er davon aus, dass diese Bedürfnisse grundsätzlich in der genannten Rangfolge zu befriedigen sind, um der jeweils nächsten Stufe vordergründig persönliche Bedeutung beizumessen zu können.

Bezogen auf das Thema Kindeswille bedeutet dies, dass die Bedürfnisstruktur eines Kindes wesentlich durch dessen persönliche Lebensumstände und von der aktuellen Konstitution des Kindes mit diesen umzugehen geprägt ist. Kindeswohl bedeutet demnach immer auch die Befriedigung von individuellen Bedürfnissen bzw. die Realisierung des Willens. Um eine Kind, und darauf möchte ich letztlich hinaus, in Bezug auf die Bewertung seines Willens bzw. seiner Bedürfnislage beurteilen und abholen zu können, habe ich mich aktiv mit der Frage seiner derzeitigen Bedürfnisbefriedigung auseinanderzusetzen. Hier kann das Moslowsche Bedürfnismodell u.a. hilfreich sein sich dem Willen eines Kindes anzunähern und es dort abzuholen, wo es sich derzeit befindet.

Das Spannungsfeld von Kindeswohl und Kindeswille

Eine ernsthafte Diskussion über den Bezug von Kindeswohl und Kindeswille fand zu Beginn der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts seine praktische Ausprägung in Debatte um den „Anwalt des Kindes“ , die aus der Perspektive der Verbesserung der rechtlichen Vertretung von Minderjährigen geführt wurde. Dabei wurde davon ausgegangen, dass bei gerichtlicher Entscheidung neben dem Aspekt des Kindeswohls auch der Willen der jungen Menschen Berücksichtigung finden sollte, um die Tragfähigkeit gerichtlicher Entscheidungen für das folgende Alltagsleben zu erhöhen. Diesbezüglich stand hier der Umstand im Mittelpunkt der Überlegung, dass Kindeswohl und Kindeswille nicht unbedingt im Einklang miteinander stehen müssen. So ging u.a. Salgo davon aus, dass im Rahmen einer dualen Vertretung das Dilemma zwischen Kindeswohl und Kindeswille zu mildern sei, in dem Sinne, dass das Gericht durch die getrennte Stellungnahme zum Kindeswohl (durch das Jugendamt) und zum Kindeswille (durch einen Beistand) ein umfassenderes Gesamtbild als Grundlage für eine „balancierte“ Entscheidung erhält.
In diesem Sinne sei ausdrücklich festgehalten, dass diese Debatte in Anerkennung eines wesentlichen Umstandes geführt wurde und auch weiterhin geführt werden muss: Kindeswohl und Kindeswille sind zwei voneinander unabhängige Kategorien, die im Einzelfall in Konflikt geraten, sich konträr gegenüberstehen können und in der Regel auch nicht aufzulösen sind.

Trennungs- und Scheidungssituationen geben hierfür die prägnantesten Beispiele. Wenn Erwachsene sich zur Trennung entscheiden hat dies zur Konsequenz, dass diese Entscheidung insbesondere aus einer konfliktträchtigen Partnerschaft heraus auch auf deren Kinder diffus wirkt.

Aus der Perspektive des Kindeswohls scheint eine klare und schnelle Entscheidung zur Personensorge bzw. zum Aufenthalt des Kindes verständlich. Häufig steht diese jedoch nicht im Einklang mit dem Willen des Kindes selbst, beide Elternteile auch weiterhin in seiner unmittelbaren Umgebung zu wissen.
Eine getrennte „Bestandsaufnahme“ zur Frage des Kindeswohls – Welche ist die vermeintlich günstigere Entscheidung zur Personensorge? – bzw. zum Willen des Kindes – Welches ist die durch das Kind gewünschte Situation? – hat sich als ebenso hilfreich erwiesen, wie eine entsprechende Vertretung und Begleitung von Kindern und deren Eltern vor, während und nach der familiengerichtlichen Entscheidung. Dies kann, wie bereits gesagt, den sich darüber abgebildeten Konflikt nicht verhindern aber begleitend mildern und insbesondere Kindern helfen, Kindeswohl und Kindeswille in Einklang zu bringen.

Selbstredend, ohne bisher explizit darauf hingewiesen zu haben kommt hier Gerichten und Jugendämtern gleichermaßen, wenn auch mit unterschiedlichen Aufträgen, Verantwortung zu und Sie erlauben hier etwas poentiert zu sein; klare aber auch tragfähige Verhältnisse in Situationen zu schaffen, in denen Familien nicht mehr aus eigener Kraft in der Lage oder bereit sind, den Alltag für sich und ihre Kinder zu meistern.


Kindeswille ist nicht Kindeswille und Kindeswohl noch lange nicht

Meinen wir das Gleiche, wenn wir über den Willen eines Kindes und sein Wohl sprechen?

Zunächst sei die These erlaubt, dass jedes System der Erledigung eines eigenständigen (gesetzlichen und fachlichen) Auftrages nachgeht und somit auch sein eigenes Verständnis, sein eigenes Konzept und seine eigene Sprache entwickelt.

Es ist also davon auszugehen, dass Jugendämter und Gerichte, um im Sprachgebrauch des Titels meines Vortrages zu bleiben, Kindeswohl und Kindeswille ansprechen, aber diesen vom Bedeutungsgehalt her verschieden interpretieren bzw. unterschiedlich ausfüllen.


Die (sozial-)pädagogische Perspektive

In der (Sozial-)Pädagogik wird z.B. das Interesse (eines Kindes) als eine andauernde Verfassung beschrieben, die zu einer erhöhten Aufmerksamkeit bzw. aktiven Teilhabe und zum Handeln veranlassen. Der Entwicklung von Interessen wird deshalb z. B. im Rahmen der Hilfeplanung gemäß § 36 SGB VIII bei der Gewährung einer Hilfe zur Erziehung besondere Bedeutung beigemessen, da sie als zentrales Moment der Persönlichkeitsentwicklung verstanden wird. In diesem Sinne stehen unter (sozial-) pädagogischer Fokussierung Interessen von Kindern und deren Entwicklung für einen Prozess der Erkenntnisgewinnung und Teilhabe, der als Teil des Lern- und Sozialisationsprozesses von Kindern beschrieben werden kann. Dies bedeutet verkürzt, dass Kinder gemäß ihrer Alltagserfahrungen und der Möglichkeiten zu deren Verarbeitung mehr oder weniger in der Lage sein werden eigene Interessen zu entwickeln, zu artikulieren und diese auch zunehmend selbst zu vertreten. Dies erfordert u.a., dass Kinder die Möglichkeit erhalten, am Modell „Alltag“ entsprechende Erfahrungen zu sammeln und angemessen dabei begleitet zu werden. Diese Funktionen erfüllt zunächst grundsätzlich die Familie.

Macht es sich auf Grund einer Mangelsituation erforderlich auf Angebote der Jugendhilfe zurückzugreifen kann davon ausgegangen werden, dass Familie entweder nicht mehr bereit bzw. nicht mehr in der Lage ist, diese Funktionen wahrzunehmen. Eine solche Situation der eingeschränkten bzw. fehlenden Interessenvertretung der Kinder ist z.B. bei Trennung und Scheidung, psychischer Krankheit, einer salopp bezeichneten „Erziehungsuntüchtigkeit“ oder bei fehlender Erziehungsbereitschaft potentiell gegeben. Hier wirkt Jugendhilfe auftragsgemäß familienergänzend bzw. familienersetzend.

Da das Wörterbuch der Sozialen Arbeit darauf verzichtet, sich dem Interessenbegriff zuzuwenden lassen Sie mich auf eine Definition des Erziehungswissenschaftlers Roth verweisen.

Die Interessen sind zu verstehen als das Ergebnis von Erfahrungen des eigenen Begehrens und Wollens. Roth meint damit den unmittelbaren Zusammenhang zu den Bedürfnissen, die sich gemäß des Wert- und Sacherlebens in uns (ab-)gebildet haben. In diesem Sinne sind Interessen Bereitschaften zum Handeln, die sich zwischen äußeren Pflichten und inneren Bedürfnis aufbauen und eine Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit der Welt und sich selbst erzeugen. Nennen wir es an dieser Stelle illustrativ Neugier und Tatendrang.

In diesem Sinne ist der Auftrag der Jugendämter Kinder in besonderen Lebenslagen schützend zu beraten und zu begleiten, um ganz grundsätzlich deren Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit der Welt (der Erwachsenen) und sich selbst wach zu halten oder in der Praxis der Jugendämter und Gerichte deren Interessenvertretung wachsam zu gewährleisten.


Die rechtliche Perspektive

Zunächst nimmt die sozialpädagogische Fachkraft wahr, dass der Interessenbegriff in Bezug auf die jungen Menschen im Rechtskontext eine feste Größe darstellt und sich im Zusammenhang mit der Personensorge, der gesetzlichen Vertretung, der vermögensrechtlichen Sorge oder das Unterhaltsrecht als Verhältnis der Personensorgeberechtigten zum jungen Menschen darstellt. Jedoch ist auch im gleichen Zuge zu erfahren, dass es sich hier um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, der im Ermessen des Einzelfalles rechtlich auszugestalten ist. Hiermit ist die sozialpädagogische Fachkraft zwar traditionell und strukturell zunächst unzufrieden aber über die Praxis der Hilfeplanung nach § 36 SGB VIII durchaus geübt.

Ich möchte zunächst die Verfahrensvorschriften des Gesetzes über die Freiwillige Gerichtsbarkeit (FGG) bemühen, um die Begriffe Kindeswohl und Kindeswille aus rechtlicher Perspektive zu erschließen.

Im § 52 FGG z.B. ist das Wohl des Kindes in Bezug auf die Gestaltung des Verfahren genannt:

Soweit dies (das Hinwirken auf ein Einvernehmen der Beteiligten) nicht zu einer für das Kindeswohl nachteiligen Verzögerung führt, soll das Gericht das Verfahren aussetzen, wenn ...

Im § 50b FGG z.B. ist ausdrücklich vom Willen des Kindes in Bezug auf die Gestaltung des Verfahrens die Rede:

Das Gericht hört in einem Verfahren, das die Personen- oder Vermögenssorge betrifft, das Kind persönlich an, wenn die Neigungen, Bindungen oder der Wille des Kindes für die Entscheidung von Bedeutung sind oder wenn es zur Feststellung des Sachverhaltes angezeigt erscheint, dass sich das Gericht von dem Kind einen unmittelbaren Eindruck verschafft.

Der § 50 FGG bestimmt folglich, dass bei erheblichen Interessenkonflikten, die einen faktischen Ausfall der Personensorge nach sich ziehen, diese durch die Einsetzung eines Verfahrenspflegers auszugleichen ist, der insbesondere mit dem Mandat der Vertretung des Wohl des Kindes und der Wahrung der Interessen des Kindes im gerichtlichen Verfahren betraut ist und so, wenn auch rechtlich dem Kind ohne Einschränkung der elterlichen Sorge „lediglich“ zur Seite gestellt, faktisch familienersetzende zumindest aber familienergänzende Funktionen der Personensorgeberechtigten aus der Perspektive der Gerichte realisiert.

Das Gericht kann dem minderjährigen Kind einen Pfleger für ein seine Person betreffendes Verfahren bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist.

Damit stellt der Gesetzgeber die Kindesinteressen über die Interessen anderer am Verfahren Beteiligter, was soviel bedeutet: Im Zweifel für die Interessen des Kindes.

Überführen wir diesen Gedankengang, der uns in Bezug auf § 52 FGG vom Kindeswohl vorbei an § 50b FGG zum Willen des Kindes und abschließend zu § 50 FGG zu den Interessen des minderjährigen Kindes führt strukturell zusammen, so wird deutlich, dass der zentrale Begriff hier das Kindesinteresse darstellt über den Aspekte des Wohls und des Willens eines Kindes im Verfahren zusammengeführt eingebracht werden sollen.

Eine Frage, die sich aus der Perspektive der Jugendämter stellt ist und dies vielleicht auch aus der nichterfüllten Hoffnung heraus, die im SGB VIII rechtunbestimmte Begriffsbestimmung zu Kindeswohl und Kindeswille mit Hilfe der „Justiz“ aufzulösen zu können:

Warum wird im Rahmen der Verfahrensvorschriften des FGG eine eindeutige Begriffsbestimmung vermieden?

Die (sozial-)pädagogische Lesart dieses Umstandes wäre, dass der Gesetzgeber mit Rücksicht auf die Kinder und in der Absicht grundsätzlich einvernehmliche Urteile zu erreichen hier absichtsvoll eine eindeutige Bestimmung vermieden hat, um in einem mit den beteiligten Eltern und Kindern sowie mit der zur Zusammenarbeit verpflichteten Jugendhilfe in einem eher dialogischen Verfahren Urteile zu fällen, die als konsensfähig insbesondere durch beide Elternteile getragen werden und so am weitesten dem Kindeswohl und dem Kindeswille entsprechen.


Perspektive eines Dialogs

Die beispielhaft beschriebenen strukturell-rechtlichen Rahmenbedingungen der Praxis der Jugendämter und Gerichte unter dem Fokus der Ausbalancierung des Kindeswohls und des Kindeswillen gegeneinander und zu den Interessen der Personensorgeberechtigten illustrieren in Ansätzen die Schwierigkeit beiden Aspekten gleichermaßen angemessen gerecht zu werden.

Zu verschieden sind die gesetzlichen Aufträge, zu unterschiedlich ist das professionelle Selbstverständnis, zu ungleich stellt sich die „Machtverteilung“ dar, dass eine Zusammenarbeit auf gleicher Augenhöhe zunächst unmöglich erscheint.

Und dennoch möchte ich behaupten, dass gerade wegen dieser Unterschiedlichkeiten eine gelingende Kooperation im Sinne der Wahrung von Kindeswohl und Kindeswille wahrscheinlich ist.

Denn eigentlich:

* sind die Aufträge, wenn auch verschieden klar,
* sollt das professionelle Selbstverständnis zu einer in der Praxis notwendigen Rollenklärung bzw. Klarheit beitragen und
* sollte die rechtliche bestimmte „Machtverteilung“ eher Handlungssicherheit zur Folge haben,

wenn gesichert ist, dass:

* die eigenen Aufträge klar sind und in kritischen Situationen dadurch Rückbesinnung möglich ist,
* das professionelle Selbstverständnis der jeweils anderen Seite anerkannt wird und kompetentes Handeln nach sich zieht
* die „Machtverhältnisse“ eher als Verantwortung und Kompetenzverteilung verstanden, ausgestaltet und erlebt werden.

In diesem Sinne könnte sich ein Dialog zwischen Jugendamt und Gericht auszeichnen durch das Einvernehmen darüber, dass:

* die Kindesvertretung unabhängig auf wessen Veranlassung grundsätzlich parteilich zum Nutzen des Kindes handelt,
* zeitliche Verzögerungen, unabhängig durch wen bzw. durch was auch verursacht dem kindlichen Bedürfnis nach Sicherheit entgegenstehen,
* zeitliche Verzögerungen, unabhängig durch wen bzw. durch was auch verursacht notwendige Maßnahmen zum Schutz des Kindes verzögern,
* kindliche Interessen immer geprägt sind durch Motive und Emotionen, die jenseits des aktuellen Verfahrens liegen,
* Kindeswohl und Kindeswille aus der Perspektive des Kindes selbst grundsätzlich und nicht vorsätzlich im Widerspruch zueinander stehen können,
* die Verständigung zu Interessen bzw. zum Wille des Kind durch die entwicklungsbedingte Differenz zwischen kindlicher und erwachsener Erlebens-, Verarbeitens- und Kommunikationsweise erschwert wird,
* das, was Kinder mitteilen nicht unbedingt mit dem in Übereinstimmung stehen muss, was nicht mitzuteilen wünscht oder sogar wagt,
* Kinder ob ihrer entwicklungsbedingten Reflektionsmöglichkeiten bestimmte scheinbar ersichtliche Interessen nicht erschließen können und demzufolge einer stellvertretenden äußeren Deutung bedürfen,

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Heinz
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Lange Kurzgeschichte

von Heinz am 21.02.2009 15:21

Hallo ,
wie ich im nachhinein erfahren habe, hat die Mama meines Sohnes mich als gute Patie angesehen und einer Exfreundin von ihr erzählt, das sie sich von mir " einen verpassen " lassen will!!!! Deshalb trägt mein Sohn auch meinen Namen!!!!! Mit den Großeltern konnte man sich auch nicht anfreunden, die wollten immer nur alles bestimmen. Das habe ich nicht akzeptiert. Als Mama ein zweites mal schwanger wurde, hat Oma ihr gesagt, dass sie mit noch einem Blag von dem, sie dann selber kochen lernen müsse, und nicht mehr zum essen zu ihr kommen könne!!!!! Also wurde dieses Kind, ohne Absprache mit mir, abgetrieben.
Mama hat mir am 01.12.2007 eine SMS geschrieben!!! Gebe Philipp nicht mehr raus. Bekommst von meinem RA bescheit. Da hatte ich einen Beschluss vom OLG Hamm in der Tasche der besagt, das ich meinen Sohn jeden Dienstag und jedes zweite Wochenende von SA.-So. 19 Uhr zu mir nehmen darf. Da muß Mama aber schon so im vierten Monat schwanger gewesen sein, denn die Halbschwester meines Sohnes ist am 21.04.2008 geboren worden. Den Vater diese Kindes verschweigt sie beharlich.
Beim AG hat sie gelogen das sich die Balken biegen. Hat einen Kinderpsychologen angeschleppt, der sich auch dafür aussprach den Umgang zu Papa einzustellen!!!!! Da nach Angeben der Mutter, es immer zu Auffälligkeiten, nach besuchen beim Papa komme!!!! !!!!!! Nach Angaben der Mutter!!!!!!! Im Vorfeld sagte sie beim JA, dass wenn die meinem Antrag stattgeben würden, sie mit dem Kind nach Pusemuckel ziehen werde und ich den Kleinen dann mit dem Jet abholen könne.
Der Richter hat den Umgang, wegen der Angaben des Psychlogen , für ein Jahr ausgesetzt. Ich bin dann sofort in die Beschwerde zum OLG nach Hamm gegangen. Das war am 06.02.2008 Das OLG ordnete die Erstellung eines Familiengutachtens an und Terminierte sich auf der 19.12.2008. Als dann die Gutachterin auch noch schrieb, das sie erst im August Zeit für die Begutachtung habe, da sie sich noch 2 1/2 Monate
im Urlaub befinde, habe ich den Antrag auf begleiteten Umgang bei der Elternberatungsstelle Recklinghausen gestellt. Dem wurde auch entsprochen. Als die Beratungsstelle bei Mama anrief um die Termine abzusprechen, sagte Mama das sie nicht erscheinen werde und Philipp auch nicht vorbeibringen würde. Das wurde dem OLG durch die Leiterin der Einrichtung Frau Lübbermann dann auch angezeigt. Was dann pasieret bleibt ein Geheimnis!!!!! Wochen später rief Mana bei der Beratungsstelle an und bot dann doch Umgangstermine an. Der Erste am 12.08.2008
Mama erschien mit Philipp, der sich aber weigerte aus dem Auto zu steigen.
Frau Lübbermann hat sich dann in das Auto gesetzt und immer wieder versucht Philipp zum Aussteigen zu bewegen. Nach 1,5 Std. stieg Philipp dann auch aus. Da habe ich meinen Sohn das erste mal für nur noch 20 Minuten gesehen. Alles war von Anfangan unproblematischt. Keine Spur von Angst. Wir haben besprochen was ich ihm beim nächsten Treffen von Zuhause, aus seinem Zimmer, mitbringen soll. Dann haben wir uns verabschiedet. Bei den weiteren Umgangsversuchen war mein Sohn nicht mehr zu Aussteigen zu bewegen. Auch war dann immer der Opa dabei. Der hat sogar nach der Gutachterin getreten, die ihn ebenfals versucht hat zum Aussteigen zu überreden. Da weder das JA noch die Gutachterin der Meinung war, das Philipp noch zum Aussteigen zu bewegen sei, wurden dann weiter Versuche eingestellt.
Im Dezember hat dann das OLG eingesehen, das man Mama nicht verbieten könne, das Kind weiter zu traumatiesieren, durch falschen Behauptungen, und Philipp erst mal zur Ruhe kommen müsse, um mit dem Empfinden das Mama klarzukommen, der Papa FREIWILLIG auf Umgang zu verzichten habe, da sonst ein Umgangsausschluß von zwei Jahren in Betracht kämme !!!!!

Zum Wohl unserer Kinder


http://www.direktzu.de/users/16517


Antworten Zuletzt bearbeitet am 30.03.2012 20:08.

Heinz
Administrator

-, Männlich

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Kindeswohl und Kindeswohlgefährdung

von Heinz am 21.02.2009 15:10

Kindeswohl und Kindeswohlgefährdung in Sorge- und Umgangsstreitigkeiten

Eckard Wiedenlübbert, Richter am Oberlandesgericht Naumburg, führte die Teilnehmer in die juristische Sicht auf Umgangsentscheidungen ein. Er betonte dabei, wie sehr Richter an dieser Stelle auf qualifizierte Zuarbeit von Psychologen und Pädagogen angewiesen sind, wenn sie den unbestimmten Rechtsbegriff „Kindeswohl“ mit Leben füllen wollen.


Einer der zentralen und häufigsten verwendeten Begriffe im Zusammenhang mit jeder Diskussion über die Themen Sorgerecht und Umgangsrecht ist der Begriff des Kindeswohls, im BGB auch als "Wohl des Kindes" umschrieben. Und zwar nicht nur in der juristischen Praxis, sondern auch in allen anderen Bereichen die sich mit dieser Problematik auseinandersetzen. Im folgenden geht es ausschließlich um den Begriff der Kindeswohls aus juristischer Sicht, andere Professionen können ein durchaus anderes Begriffsverständnis haben, welches natürlich im folgenden nicht in Frage gestellt werden soll.

Zunächst ist festzustellen dass der Begriff Kindeswohl im Gesetzestext des BGB mehrfach verwendet wird, so wird z.B in § 1697 a BGB das Kindeswohlprinzip ausdrücklich als gerichtlicher Entscheidungsmaßstab bestimmt, eine abstrakte Definition erfolgt aber nicht. Den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts lässt sich nicht nur entnehmen, dass das Wohl des Kindes oberstes Regelungsprinzip gerichtlicher Entscheidungen sein muss und dem entgegenstehende Interessen der Eltern dahinter zurückstehen müssen , sondern auch, dass das Kindeswohl immer der konkreten Situation entsprechend bestimmt werden muss . Eine abstrakte Definition ist deshalb eher ausgeschlossen und wäre in Anbetracht der vielfältigen möglichen Lebenssachverhalte einerseits und der Unflexibilität einer starren Definition anderseits auch wenig hilfreich im Rahmen der konkreten gerichtlichen Entscheidungsfindung. Gleichwohl zeigt die tägliche gerichtliche Praxis, dass mit diesem Begriff sachgerecht gearbeitet werden kann und nachvollziehbare, gute Entscheidungen gefunden werden können. Um zu verdeutlichen wie dies geschieht, muss man sich zunächst die Funktionen des Kindeswohlbegriffs vor Augen führen.


Die Funktion des Kindeswohlbegriffs

Eingriffslegitimation in Elternrechte
So ist das Wohl des Kindes eine Legitimation für den Staat in Ausübung seines ihm übertragenen Wächteramtes in grundrechtlich geschützte Elternrechte einzugreifen. Beispielhaft sei hier, weil die mit dem Begriff verbundene Eingrifflegitimation am deutlichsten erkennbar, § 1666 BGB erwähnt, der bei Gefährdung des Kindeswohls dem Gericht gestattet, die notwendigen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu ergreifen, bis hin zum Entzug der elterlichen Sorge.

Entscheidungsmaßstab für gerichtliche Entscheidungen
Aus der Norm des § 1666 BGB lässt sich ebenfalls klar entnehmen, dass, wie in § 1697 a BGB klarstellend erwähnt, das Kindeswohl gleichfalls auch Maßstab der gerichtlichen Entscheidung sein muss. Zwar gestattet § 1666 BGB die zur Abwehr einer Kindeswohlgefährdung notwendigen Maßnahmen zu treffen, darüber hinausgehende gerichtliche Entscheidungen sind hingegen unzulässig.
Für den zur Entscheidung berufenen Richter, bzw. die Richterin, hat dies zur Folge, dass in jedem Einzelfall anhand des zur Entscheidung anstehenden Sachverhaltes der Kindeswohlbegriff neu bestimmt werden muss.

Hierzu bietet die Generalklausel des § 1666 Abs. 1 BGB erste Anknüpfungspunkte. Dort wird ausdrücklich zwischen dem körperlichen, geistigen und seelischem Wohl des Kindes unterschieden. Das somit auf jeden Fall die körperliche Integrität des Kindes geschützt wird und entsprechende Gefährdungen durch Schlagen oder andere unmittelbare Eingriffe meistens relativ einfach zu erkennen sind ist nahe liegend. Hiermit korrespondiert auch die Regelung des § 1631 b Abs. 2 BGB. Wenn auch § 1631 b Abs. 2 BGB keine Eingriffsgrundlage für staatliches Handeln bietet, so ist doch durch diese Norm klargestellt, dass die Kindererziehung gewaltfrei zu erfolgen hat und deshalb Gewaltanwendung dem Kindeswohl widerspricht. Die beiden anderen Elemente „geistiges und seelisches Wohl des Kindes“ lassen sich unter anderem durch die im Gesetz genannten Erziehungsziele konkretisieren. In § 1626 Abs. 2 Satz 2 BGB werden die Eltern verpflichtet, die wachsenden Fähigkeiten und Bedürfnisse des Kindes zu „selbständigem, verantwortungsbewusstem Handeln“ zu berücksichtigen, während in § 1627 BGB klargestellt wird, dass die elterliche Sorge zum Wohle des Kindes auszuüben ist. In § 1 SGB VIII ist ausdrücklich das Recht jedes jungen Menschen auf Förderung seiner Entwicklung und Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit als staatliche Handlungsmaxime festgelegt.

Aus §§ 1632 Abs. 4 und 1666 a Abs. 1 BGB können noch weitere Gesichtspunkte abgeleitet werden, die bei der Beantwortung der Frage nach dem Kindeswohl zu beachten sind. So sind bei einer Entscheidung neben der Kontinuität und Stabilität der Betreuungs- und Erziehungsverhältnisse, sowie hiermit korrespondierend die inneren Bindungen des Kindes, und letztlich der familiäre Gesamtzusammenhang zu berücksichtigen. Darüber hinaus sind auch außerrechtliche Maßstäbe und wissenschaftliche Erkenntnisse unter Umständen erheblich, hier sei beispielhaft nur die Möglichkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Feststellung von Bindungsqualitäten erwähnt. Als letzter und gleichzeitig auch wichtiger Gesichtpunkt wird der Kindeswille Beachtung finden müssen.


Kindeswohlbegriff in Umgangsstreitigkeiten

Auch auf die Frage nach dem Kindeswohl in Umgangsstreitigkeiten bietet das Gesetz Anhaltspunkte zur Auslegung des Begriffs Kindeswohls. Zwar sind der Umgang und die Eingriffsmöglichkeiten des Familiengerichts in das Umgangsrecht in der Eingriffsgrundlage § 1684 BGB geregelt, aber bei der Anwendung des § 1684 BGB ist immer die grundsätzliche Regelung in § 1626 Abs. 3 BGB zu beachten, wo der Gesetzgeber unter der Überschrift „ Elterliche Sorge, Grundsätze“ ausdrücklich feststellt, dass es zum Wohle des Kindes in der Regel gehört, Umgang mit beiden Elternteilen zu haben, unter bestimmten Voraussetzungen auch mit Dritten Personen. Hieraus folgt, dass der Umgang mit dem anderen Elternteil grundsätzlich dem Wohl des Kindes dient und dies unabhängig davon, ob die Eltern miteinander verheiratet sind, verheiratet waren oder welcher der beiden Elternteile Sorgerechtsinhaber ist. Eine Einschränkung dergestalt, dass der Umgang ausgesetzt, eingeschränkt oder gar ausgeschlossen werden kann, ist deshalb nur dann möglich, wenn vorher durch das Gericht festgestellt wird, dass durch eine andere Umgangsregelung dem Kindeswohl geschadet wird.


Zweck und Inhalt des Umgangsrechts

Aus der Formulierung von § 1684 Abs. 1 BGB „das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil, jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind berechtigt und verpflichtet“ ist eindeutig zu entnehmen, dass neben den bereits erwähnten Umgangsrechten der Eltern auch das Kind ein eigenes Recht auf Umgang mit den jeweiligen Elternteilen hat. Darüber hinaus gibt § 1684 Abs. 2 BGB den Eltern auf, alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt , was im konkreten Fall auch eine aktive Förderungspflicht zur Umgangswahrnehmung bedeuten kann In § 1684 Abs. 3, 4 BGB ist dann näher geregelt, wieweit das Gericht in das Umgangsrecht eingreifen, bzw. das Umgangsecht gestalten kann.

Bevor jedoch diese Kompetenzen näher beschrieben werden, eine kurze Rekapitulation dessen, welche Bedeutung das Umgangsrecht im einzelnen hat, weil sich hieraus letztlich die Grenzen gerichtlicher Gestaltungsmöglichkeiten und gerichtlicher Eingriffsbefugnisse ergeben. Wesentlichster Aspekt des Umgangsrechts ist die Befugnis des Umgangssuchenden das Kind in regelmäßigen Abständen persönlich zu sehen und zu sprechen, und zwar ohne Gegenwart einer Aufsichtsperson .

Denn Zweck des Umgangsrechts ist es, dem Betreffenden laufend die Möglichkeit zu geben, sich von dem Wohlergehen des Kindes zu überzeugen und einer Entfremdung vorzubeugen . Da § 1684 BGB den „Umgang“ und nicht wie § 1634 BGB a.F. den „persönlichen Umgang“ regelt, ist nunmehr klar, das telefonischer oder brieflicher Kontakt auch Ausübung des Umgangsrechts ist und von § 1684 BGB mit umfasst wird. Mit dem Argument, es bestehe regelmäßiger telefonischer oder brieflicher Kontakt, kann aber persönlicher Kontakt nicht unterbunden oder vermieden werden, eine entsprechende Entscheidung wäre im Ergebnis ein Ausschluss des Umgangsrechts. D.H. sie wäre nur unter den Voraussetzungen eines Umgangsausschlusses zulässig.

Dem Umgangssuchenden soll nicht die Möglichkeit der Erziehung des Kindes gegeben werden, hierzu ist die Inhaberschaft der elterliche Sorge notwendig, sei es auch gemeinsam mit dem anderen Elternteil. Das Umgangsrecht ist als Bestandteil der elterlichen Sorge verfassungsrechtlich geschützt . Insoweit sei hier darauf hingewiesen, dass das Umgangsrecht höchstpersönlich und unverzichtbar ist mit der Folge, dass Vereinbarungen in denen auf die Ausübung des Umgangsrechts verzichtet wird, grundsätzlich gemäß § 134 BGB nichtig sind. Wird im Rahmen einer solchen Vereinbarung im Gegenzug eine Freistellung von Unterhaltsansprüchen vereinbart, liegt darüber hinaus auch ein Verstoß gegen die guten Sitten vor. Lediglich dann, wenn der Umgangsverzicht dem Kindeswohl dient, kann eine entsprechende Vereinbarung zulässig sein . Da allerdings im Streitfall wegen der widerstreitenden Interessen den Eltern wohl die notwendige Sachkompetenz fehlen dürfte um zu beurteilen, ob die Vereinbarung dem Kindeswohl dient, wäre eine zulässige Regelung wohl nur innerhalb eines gerichtlichen Verfahrens zu schließen. Zumindest dürfte vor einer entsprechenden Regelung zwischen den Eltern kompetente Hilfe von außen notwenig sein, etwa durch Beteiligung des Jugendamtes. Auch eine Verwirkung des Umgangsrechts, selbst durch jahrelange Nichtausübung, kann nicht erfolgen . Nur wenn hierdurch bereits eine Entfremdung eingetreten ist und durch neuen Kontakt eine Kindeswohlgefährdung einträte, kann unter Umständen in seltenen Ausnahmefällen allein bereits durch die Nichtausübung des Umgangsrechts ein Ausschluss desselben gerechtfertigt sein.


Die Eingriffsbefugnisse des Gerichts im Einzelnen

§1684 Abs. 3 BGB
Durch die Regelung des § 1684 Abs. 3 BGB soll dem Gericht die Möglichkeit gegeben werden, Handlungen eines anderen Elternteils zu begegnen, die die Ausübung des Umgangsrechts erschweren oder verhindern. In diesen Bereich gehören die Fälle, in denen, ohne dass das Umgangsrecht als solches streitig ist, dessen nähere Ausgestaltung problematisch ist. Wenn etwa die Verweildauer beim anderen Elternteil, die Häufigkeit der Besuche, ob die Besuche mit oder ohne Übernachtung erfolgen sollen, streitig sind. Auch die Fälle der streitigen Ferienregelung gehören in diesem Bereich. Hier wird in der Regel, wenn auch häufig erst im Rahmen einer mündlichen Erörterung vor Gericht, eine gütliche Einigung zu erzielen sein. Es sei Hinweis erlaubt, dass eine solche Einigung nur dann vollstreckbar ist, wenn sie in Form einer vollzugsfähigen gerichtlichen Verfügung vorliegt . Um jeden Zweifel von vornherein auszuschließen, ist es sinnvoll, einen Vorschlag zu unterbreiten, der dann vom Gericht ausdrücklich „bestätigt“ oder genehmigt wird, aber auch als eigene Entscheidung in Beschlussform übernommen werden kann. Darüber hinaus muss die Regelung inhaltlich so genau formuliert werden, dass sie vollstreckbar ist . D.h., der zeitliche Beginn der eigentlichen Regelung ist genau zu bestimmen, möglichst mit Datum oder des genauen Wochenendes an dem der Umgang beginnen soll. Ratsam ist es insofern auch, die Frage der Abholung und des Zurückbringens einschließlich der Uhrzeit zu regeln.

§ 1684 Abs. 4 BGB
Hier sind die Regelungsbefugnisse des § 1684 Abs. 4 BGB unter dem Aspekt, wann ein Ausschluss des Umgangsrechts möglich ist, zu beachten. Nach § 1684 Abs. 4 Satz 1 BGB kann der Vollzug einer früheren Entscheidung eingeschränkt oder ausgeschlossen werden, soweit dies zum Wohle des Kindes erforderlich ist. Diese Regelung ist aber immer zusammen mit § 1684 Abs. 4 Satz 2 BGB zu lesen, wonach eine frühere Entscheidung über das Umgangsrecht oder das Umgangsrecht selbst für längere Zeit oder auf Dauer eingeschränkt oder ausgeschlossen werden kann, wenn anderenfalls das Kindeswohl gefährdet wäre. Hieraus muss geschlossen werden, das die Regelung des § 1684 Abs. 4 Satz 1 BGB nur Maßnahmen von kurzer Dauer gestattet, während zeitlich längere Regelungen nur unter den Voraussetzungen des § 1684 Abs. 4 Satz 2 BGB zulässig sind.

Zeit, Dauer
Welche Zeiträume unter den Begriff der längeren Zeit zu subsumieren sind, wird objektiv bestimmt werden müssen, allerdings unter Beachtung des Alters der Kinder und der im konfliktfreien Normalfall angemessenen Umgangshäufigkeit.

Kindeswohlgefährdung/dem Kindeswohl dienlich

Aus den Formulierungen „ für das Kindeswohl erforderlich“ und Gefährdung des Kindswohls ergib sich jeweils eine unterschiedlich hohe Eingriffsschwelle für das Gericht und das bei seiner Entscheidung oberstes Regelungsprinzip das Kindeswohl ist . Dementsprechend sind alle Maßnahmen, die der Förderung dieser Ziele dienen, sicherlich dem Kindeswohl dienlich. Zeitlich kurze Umgangsregelungen gemäß § 1684 Abs. 4 Satz 1 BGB sind deshalb wesentlich eher gestattet, als solche nach § 1684 Abs. 4 Satz 2 BGB. Denn aus der Feststellung, dass eine Maßnahme für das Kindeswohl erforderlich ist, kann nicht geschlossen werden, dass bei deren Unterbleiben gleichzeitig auch eine Kindeswohlgefährdung im Sinne von § 1684 Abs. 4 Satz 2 BGB vorliegt. Körperliche Gewaltanwendung oder Drohung mit Gewalt durch einen Elternteil widerspricht nach dem oben gesagten auf jeden Fall dem Kindeswohl. Auch die Frage, ob bereits Gewaltanwendung gegen den anderen Elternteil bei der das Kind Zeuge wird, dem Kindeswohl widerspricht, lässt sich bei Beachtung des Grundsatzes des § 1631 b Abs. 2 BGB problemlos bejahen. Um allerdings eine Kindeswohlgefährdung annehmen zu können, muss eine konkrete Gefahr für das Kindeswohl bestehen, die durch die Gestaltung des Umgangsrechts vermieden werden kann. Es wird also zum einen eine Gewalteinwirkung von gewisser Intensität erfolgt sein müssen und vor allem die Gefahr bestehen müssen, dass ohne eine Umgangsregelung dem Kindeswohl konkret geschadet wird. Dies wird u.U. bereits dann angenommen werden können, wenn nicht erst die konkrete Gefahr der wiederholten unmittelbaren Gewaltanwendung besteht, sondern bereits dann, wenn die Gewalt des Elternteils bereits nachhaltige Folgen für das betroffenen Kind z.B. in Angstzuständen, Verhaltensauffälligkeiten gegenüber dem betreffenden Elternteil usw. verursacht hat oder solche Folgen ohne gerichtliches Einschreiten unmittelbar bevorstehen. Bei der Feststellung einer Kindeswohlgefährdung wird ein Schwerpunkt der gerichtlichen Tätigkeit liegen, weil hier nicht nur die konkrete Gewalteinwirkung und deren unmittelbare Folgen, sondern auch zukünftige mögliche Schäden für das Kind im Rahmen einer Prognoseentscheidung abgewogen werden müssen. Aus den obigen Ausführungen folgt auch, dass ein zeitlich längerer Ausschluss oder eine längere Einschränkung des Umgangsrechts wegen der Voraussetzung der Kindeswohlgefährdung eher die Ausnahme bleiben werden denn die Regel.

Selbstredend kann eine Kindeswohlgefährdung nicht nur durch Gewaltanwendung erfolgen, die Gefahren sind manigfaltig und nur im Einzelfall genau bestimmbar. So seien nur die Gefährdung durch Vernachlässigung des Kindes, emotionale Bindungslosigkeit, Unterstützung bei der „Schulvermeidung“ als mögliche Beispiele genannt. In Umgangsstreitigkeiten ist leider gelegentlich zu beobachten, dass Kinder im Rahmen der Auseinandersetzung der Eltern von dem jeweiligen betreuenden Elternteil zur Durchsetzung eigener Interessen instrumentalisiert werden sollen. Auch darin kann u.U. eine Gefährdung des Kindeswohls liegen.


Die Verhältnismäßigkeit einer Umgangsregelung

Wenn nach positiver Feststellung einer Kindeswohlgefährdung ein Eingreifen in das Umgangsrecht geboten ist, muss ein solcher Eingriff verhältnismäßig sein . D.h. jeder Eingriff in einen grundrechtlich geschützten Bereich, so auch das Umgangsrecht, muss geeignet, erforderlich und der konkreten Situation angemessen sein. Ein Ausschluss des Umgangsrechts wird zwar in aller Regel durchaus geeignet sein, eine Kindeswohlgefährdung z.B. durch Gewaltanwendung auszuschließen, aber erforderlich ist ein solcher Eingriff nur, wenn kein geeigneteres Mittel zu Verfügung steht. Vor diesem Hintergrund bekommt die Regelung des § 1684 Abs. 4 Satz 3 BGB im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung eine zentrale Bedeutung. Danach kann das Familiengericht insbesondere anordnen, das Umgang nur dann erfolgen darf, wenn ein mitwirkungsbereiter Dritter zugegen ist. Wenn also durch eine Form des begleiteten Umgangs die Kindeswohlgefährdung ausgeschlossen werden kann, kommt ein Ausschluss des Umgangsrechts nicht in Frage. Das Gericht wird demnach vor einer solchen Entscheidung alle Möglichkeiten des begleiteten Umgangs durchdacht, wenn nicht gar versucht haben müssen. Wenn dann dennoch ein Umgangsausschluss ausgesprochen wird, muss dieser so begründet werden, dass erkennbar zuvor die Frage nach betreutem Umgang mit negativem Ergebnis geprüft worden ist.

Betreute Umgangsangsanbahnung

Bestand zwischen dem Umgangssuchenden Elternteil und dem Kind für einen längeren Zeitraum kein Kontakt, so dass u.U. bereits eine Entfremdung eingetreten ist, bietet sich die Möglichkeit der betreuten Umgangsanbahnung an. Dabei ist ein Dritter, der das Kind nach Möglichkeit bereits kennt und dessen Vertrauen genießt, nur zu Beginn der Kontaktaufnahme zugegen um anfängliches Misstrauen abzubauen. Auch in den Fällen, wo bereits durch die Einflussnahme des einen Elternteils eine Abwehrhaltung des Kindes verursacht worden ist, kann eine dritte Person zu Beginn der Kontakte mit dem anderen Elternteil die Situation entspannen und das Misstrauen, bzw. die Distanz des Kindes zum Umgangssuchenden mindern.

Betreute Kindesübergabe

Insbesondere bei ausgeprägten Konflikten zwischen den Eltern, wenn ein auch nur kurzeitiger friedlicher Kontakt zwischen ihnen anlässlich der Kindesübergabe nicht möglich ist, kommt die sogenannte betreute Kindesübergabe in Betracht. Hier besteht die eigentliche Aufgabe des Dritten lediglich darin, die eigentliche Kontaktaufnahme so zu organisieren, dass die Eltern nicht in unmittelbaren Kontakt kommen.

Betreuter Umgang

Diese Maßnahmen werden aber bei besonders problematischen Fällen, wie z.B. Gewalt im Elternhaus, möglicherweise nicht in Betracht kommen, aber der sog. Betreute Umgang im engeren Sinne kann bereits als Mittel in Erwägung gezogen werden. Danach ist der „Dritte“ nicht immer unmittelbar präsent, sondern hält sich während der Umgangsausübung z.B. im Nebenzimmer auf, um gegebenenfalls einschreiten zu können. Wenn der gewalttätige Elternteil z.B. nur in bestimmten Stresssituationen oder unter Alkoholeinfluss gewaltbereit ist, dürfte diese Form des Umgangs das geeignete Mittel zur Abwehr einer Kindeswohlgefährdung sein.

Der kontrollierte Umgang

Der kontrollierte Umgang, bei dem immer eine Person bei den Kontakten unmittelbar präsent ist, bietet sich u.a. auch in den Fällen an, wo das Kind nicht nur Opfer, sondern auch Zeuge von Gewalttaten war und die Gefahr besteht, das durch Drohung oder sonstiges Einwirken auf das Kind versucht wird, ein bestimmtes Aussageverhalten zu erreichen. Letztlich sei darauf hingewiesen, dass nach der bisherigen Rechtsprechung bei bewiesenem sexuellem Mißbrauch ein Ausschluss des Umgangsrechts eher bejaht wird, bei Verdachtsfällen ist dies bereits problematisch. Im Ergebnis bleibt zunächst festzustellen, dass ein Umgangsausschluss längerer Dauer auch in den Fällen häuslicher Gewalt durch das dem Gericht im Rahmen der Regelungen des § 1684 Abs. 3, 4 BGB zu Verfügung gestellte Instrumentarium eher die Ausnahme als die Regel sein wird. Da der eigentliche Zweck des begleiteten Umgangs ist, eine zeitlich begrenzte Krisenintervention mit dem Ziel den Umgang des Kindes mit dem Umgangssuchenden zu verselbständigen –also Umgang ohne Begleitung- , wird das Gericht im übrigen in regelmäßigen Abständen, vor allem bei erheblichen Eingriffen in das Umgangsrecht, seine Entscheidung überprüfen müssen.


Der Kindeswille

Gerade die Kindesanhörung kann ein erhebliches Problem ergeben, wenn sich nämlich herausstellt, dass entweder das Kind den an sich gebotenen Umgang verweigert oder aber einem an sich gebotenem Umgangsausschluss widerspricht. Hier können unter Umständen der Ausgang des Verfahrens sehr erheblich beeinflusst und vorher erarbeitete Erkenntnisse nachhaltig in Frage gestellt werden. Vor diesem Hintergrund muss bei der Frage nach dem Kindeswillen im Rahmen der Anhörung sorgfältig vorgegangen werden. Bei der eigentlichen Abhörung bietet sich als Hilfsmittel zuerst die gedankliche Unterscheidung zwischen erklärtem und wirklichem Willen des Kindes an. Aber selbst bei der Feststellung des erklärten Willens ist nicht nur auf die verbalen Äußerungen des Kindes zu achten, auch nonverbale Mitteilungen können durchaus relevant sein. Deshalb ist nicht nur genaues Zuhören sondern auch genaues Beobachten notwendig. Sodann wird das Gericht feststellen müssen, inwieweit die Willensäußerung auch dem eigenen Willen des Kindes entspricht –denn nur dieser wirkliche Wille des Kindes soll erforscht werden- und nicht bloß eine Wiedergabe des Willens eines Elternteils ist. Gerade hier ist die Unterscheidung verbal/nonverbal hilfreich. Daran anschließend stellt sich dann die Frage nach der Beachtlichkeit des Kindeswillens. Bei kleineren Kindern geht die überwiegende Rechtsprechung davon aus, dass der das Kind betreuende Elternteil verpflichtet und auch regelmäßig in der Lage ist, einen entgegenstehenden Kindeswillen durch geeignete erzieherische Maßnahmen zu überwinden . Diese sich aus § 1684 Abs. 2 BGB ergebende Verpflichtung kann auch mit den Zwangsmitteln des FGG durchgesetzt werden . Die klare und ernsthafte Weigerung eines Kindes zum Umgang gibt auf jeden Fall Anlass, sorgfältig den Gründen nachzugehen . Ergeben sich dabei nachvollziehbare objektive Gründe, die gegen einen Umgang sprechen, so ist die Weigerung des Kindes beachtlich . Allerdings ist hierbei zu beachten, dass einer bereits bestehenden Entfremdung und hieraus resultierender Weigerung des Kindes durch Umgangsanbahnung begegnet wurden sollte. Falls keine nachvollziehbaren Gründe erkennbar sind, kann ein Umgang auch gegen den Kindeswillen angeordnet werden . Je älter das Kind welches den Umgang ernstlich verweigert, desto beachtlicher ist dieser Wille, die Einsichtsfähigkeit und persönliche Entwicklung wird dabei Maßstab zur Bewertung des Willens sein. Eine gerichtlich angeordnete Umgangsregelung gegen den Willen eines älteren Kindes wird nicht nur rechtlich bedenklich, sondern darüber hinaus im Hinblick auf die Bestimmung des § 33 Abs. 2 Satz 2 FGG auch nicht durchsetzbar sein.


Verfahrensvorschriften

Da es sich bei den Verfahren nach §§ 1684, 1685 BGB um FGG-Verfahren handelt, gilt Amtsermittlungsprinzip gemäß § 12 FGG. Auch die Anhörungspflichten des Gerichts ergeben sich aus dem FGG. Hierbei sind insbesondere die §§ 49 a (Anhörung des Jugendamtes); 50 a Abs.1, 2 (Anhörung der Eltern, bzw. des nicht sorgeberechtigten Elternteils) und § 50 b Abs. 1, 2 FGG nach dem Kinder in einem Alter von 14 Jahren und älter angehört werden müssen. Bei jüngeren Kindern hat das Gericht einen Ermessensspielraum, wobei die Regel gilt, dass je älter das Kind, desto geringer die Möglichkeit von einer Anhörung abzusehen. Da das Gericht eine Ermessensentscheidung trifft und diese, zwar nicht uneingeschränkt, aber nachprüfbar ist, sollte in den Fällen, wo sich das Gericht keinen unmittelbaren Eindruck vom Kind verschafft, in der Entscheidung kurz begründet werden, warum von der Anhörung abgesehen worden ist.

Verfahrenspfleger

Zur Feststellung des Kindeswillens, aber auch zur Feststellung der Interessen der Eltern, und nicht zuletzt des beteiligten Jugendamtes, dürfte in den meisten Fällen die Bestellung eines Verfahrenspflegers gemäß § 50 FGG für das Kind, bzw, die Kinder, geboten sein. Zweck der Verfahrenspflegschaft ist, eine hinreichende Berücksichtigung der grundrechtlichen Stellung des betroffenen Kindes zu gewährleisten, wenn eine für die Zukunft des Kindes bedeutsame Entscheidung zu treffen ist und wegen eines Interessenkonflikts zwischen Eltern und Kind die Interessen des Kindes nicht genügend durch die Eltern wahrgenommen werden können . Der Verfahrenspfleger soll demnach die Interessen des Kindes wahrnehmen und sie gegenüber den Interessen der Eltern sowie der weiteren Beteiligten unabhängig von diesen zu vertreten und in das gerichtliche Verfahren einzubringen , er ist mithin im wesentlichen Interessenvertreter des Kindes. Damit aber das Verfahren nicht durch eine hohe Anzahl von Beteiligten erschwert wird, bzw. in angemessener Zeit durchgeführt werden kann, muss das Gericht, wenn das Umgangsrecht für mehrere Kinder streitig ist, vorab abwägen, ob ein Verfahrenspfleger die ihm obliegende Aufgabe auch bei mehreren Kindern bewältigen kann, oder ob u.U. ein weiterer Verfahrenspfleger bestellt werden muss. So können in Fällen häuslichen Gewalt unter Beteiligung von Kindern deutlich unterschiedlichen Alters die jeweiligen Kindesinteressen erheblich differieren, hier kann dann ausnahmsweise die Bestellung von mehr als einem Verfahrenspfleger durchaus sinnvoll sein. Da solche Verfahren in der Regel auch unter überdurchschnittlichem Zeitdruck durchzuführen sind, mithin eine sehr zügige Bearbeitung notwendig ist, dürfte in manchen Fällen der Bestellung eines Verfahrenspflegers gegenüber der förmlichen Bestellung eins sachverständigen Gutachters der Vorzug zu geben sein, weil letzterer in der Regel bis zur Erfüllung seines Auftrages mehr Zeit benötigt als ein Verfahrenspfleger. Ausdrücklich hingewiesen werden muss in diesem Zusammenhang auf die Bestimmung des § 50 Abs. 2 FGG. Begehrt ein gewalttätiger Elterteil Umgang, womöglich mit dem geschädigten Kind, dürfte der Regelfall des § 50 Abs. 2 FGG gegeben sein mit der Folge, dass das Gericht einen Verfahrenspfleger zu bestellen hat und nur bei Vorliegen besonderer Gründe hiervon absehen kann. Beim Absehen von der Verfahrenspflegerbestellung muss dies ausdrücklich in der Entscheidung begründet werden.

Sehr umstritten ist die Frage, ob die Verfahrenspflegerbestellung selbständig mit einem Rechtsmittel angegriffen werden kann. Während ein Teil der Rechtsprechung die Auffassung vertreten, eine selbständige Anfechtung sei möglich , begründet der die Anfechtbarkeit ablehnende Teil seine Meinung im wesentlichen mit dem Argument, die Verfahrenspfleger sei lediglich eine nicht anfechtbare Zwischenverfügung des Gerichts. Gegenwärtig dürfte zur Beantwortung der Frage, ob aus anwaltlicher Sicht die Einlegung eines Rechtsmittels erfolgversprechend ist, zuerst an Hand der aktuellen Rechtsprechung der zuständigen OLG´s, gegebenenfalls der einzelnen Senate, festzustellen sein, wie die Frage der Anfechtbarkeit dort gehandhabt wird.

Neben der Interessenvertretung des Kindes kann u.U., so wenn die Umsetzung eines Beschlusses an fehlenden Kapazitäten des Jugendamtes, sei es personeller oder sachlicher Art, zu scheitern droht, kann der Verfahrenspfleger auch vom Gericht als sogenannter Umgangspfleger eingesetzt werden. Dieser ist dann der „Dritte“ im Sinne von § 1684 Abs. 4 BGB.

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Heinz
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PAS

von Heinz am 21.02.2009 14:30

Parental Alienation Syndrome: Nicht instrumentalisieren lassen

Andritzky, Dr. phil. Walter

Nach einer Scheidung werden Therapeuten und Ärzte oft in die Sorgerechtsstreitigkeiten verwickelt. Wichtig ist, zwischen verschiedenen Konfliktkonstellationen unterscheiden zu können.

Vor dem Hintergrund steigender Scheidungszahlen und Auseinandersetzungen um das Sorge- und Umgangsrecht mit den gemeinsamen Kindern mehren sich Fälle, in denen Eltern versuchen, ein Kind dem anderen Elternteil zu entfremden und diesen von Umgang und Erziehung auszugrenzen. Nicht nur Rechtsanwälte, Richter, Sachverständige und Mitarbeiter von Jugendämtern werden in die oft unerbittlich geführten Auseinandersetzungen einbezogen, sondern auch Psychotherapeuten, (Kinder-)Ärzte und Kinderpsychiater: Meist wünscht ein Elternteil Atteste und Bescheinigungen darüber, dass Verhaltensauffälligkeiten oder funktionelle Symptome (Einnässen, oppositionelles Verhalten, Depressionen, Schlafstörungen und anderes) eines Kindes auf negative Einwirkungen des anderen Elternteils zurückzuführen seien und/oder der Kontakt abgebrochen werden sollte (1, 2).

Missbrauch von Attesten verhindern
Das Thema entzündet sich zumeist zu einem Zeitpunkt, an dem Trennungskonflikte in Sorgerechts- oder Umgangsstreitigkeiten übergehen und ein Elternteil den anderen von der künftigen Erziehung ausgrenzen will. Zugespitzt wird die Situation, wenn sich dabei zwei "Lager" gegenüberstehen (3), zum Beispiel ein Vater mit den Großeltern, bei denen sich das Kind bei Besuchskontakten aufhält, und eine Mutter mit neuem Ehepartner. Für Ärzte und Therapeuten ist es hilfreich, zwischen verschiedenen Konfliktkonstellationen zu unterscheiden, um Eltern einerseits aufzuklären, und andererseits den Missbrauch von Attesten zu verhindern.
Die mit den eigenen Belastungen infolge der Trennung beschäftigten Eltern nehmen die psychische Belastung der Kinder oft weder wahr, noch geben sie ihnen genügend Zuwendung. Daher werden die natürlichen Stress-Symptome der Kinder bei weiteren Konflikten zwischen den Eltern oftmals umgedeutet, Resultat einer negativen Beeinflussung oder "Überforderung" durch den Umgang mit dem anderen Elternteil zu sein. Tatsächlich werden psychische und funktionelle Reaktionen, Infekte, aggressive oder depressive Reaktionen nicht nur durch die Trennung selbst ausgelöst. Sie entstehen besonders dann, wenn das Kind von einem Elternteil zum anderen wechseln soll, der betreuende Elternteil diesen Umgang jedoch ablehnt, beispielsweise mit der Begründung, das Kind müsse "zur Ruhe kommen", oder es wolle nicht zum anderen Elternteil (5, 6).
Nach den Erfahrungen von Felder und Hausheer (7) zeigen sich Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter vor Besuchen beim anderen Elternteil oft fahrig, gereizt und unwillig, oder sie klagen über Bauchschmerzen. Die Besuchszeit selbst verläuft nach kurzer Eingewöhnung ohne Konflikte und in freudiger Atmosphäre. Das Kind will jedoch von Zuhause nichts erzählen und dort auch nicht anrufen. Das Kind kehrt weinerlich und widerstrebend zum betreuenden Elternteil zurück. Nach den Besuchen verhält es sich einige Tage lang überdreht, verschlossen oder mürrisch, will von den Besuchen selbst nichts erzählen, bis es schließlich wieder "normal" wird. Die Eltern ziehen aus diesem Muster entgegengesetzte Schlüsse: Die Mutter (gegebenenfalls der Vater) sieht keinen Sinn in den Besuchen, sondern eher Schaden. Das Kind werde gequält, nur um den Rechtsanspruch des Besuchsvaters (gegebenenfalls -mutter) zu erfüllen, die Besuche sollten deshalb beendet werden. Der Vater fragt sich dagegen, ob das Kind bei der Mutter gut aufgehoben ist, da es in so bemitleidenswertem Zustand zu ihm kommt und ungern wieder zur Mutter zurückkehrt.
Diesem "Besuchsrechtssyndrom" liegen im Gegensatz zu einem Entfremdungssyndrom keine Entfremdungsabsichten zugrunde. Die Ursachen können in Trennungsängsten, psychodynamischen Loyalitätskonflikten, einem Autonomieproblem, fehlender Objektkonstanz beim Kind, auf Elternebene in Kränkungen, sozialer Isolation oder in Problemen mit einem neuen Partner liegen. Die Eltern äußern Besorgtheit angesichts der Symptome. Sie tendieren zunächst nicht dazu, den anderen Elternteil abzuwerten, ihn für die Symptome verantwortlich zu machen oder ausgrenzen zu wollen. In diesen Fällen genügt es, im Rahmen der Anamneseerhebung darauf hinzuweisen, dass es sich um natürliche Reaktionen des Kindes handelt, die nach etwa einem halben bis einem Jahr von selbst nachlassen, wenn das Kind erfahren hat, dass ihm bei den Besuchskontakten weder Mutter noch Vater verloren gehen.

Loyalitätskonflikt für das Kind
Das von Gardner (8) beschriebene Parental Alienation Syndrome (PAS) hebt sich von dem Besuchsrechtssyndrom und von Fällen ab, in denen ein Kind Misshandlungen oder Vernachlässigungen erfahren hat und deshalb kontaktunwillig ist. PAS entwickelt sich nur dann, wenn ein Kind - bewusst oder unbewusst - vom betreuenden Elternteil in einen starken Loyalitätskonflikt getrieben, der Umgang mit dem anderen Elternteil massiv erschwert wird und das Kind durch seinen Wunsch, den Kontakt zu behalten, Schuldgefühle entwickelt. Bei den betreuenden Eltern liegt häufig eine durch den Trennungsprozess aktivierte Borderline-Problematik zugrunde (3): Sie fühlen sich durch den erhöhten Stress der Nachtrennungssituation (9) überfordert und reglementieren das Kind verstärkt. Es gerät oft in die Rolle eines Partnerersatzes, und es entwickelt sich eine symbiotische Beziehung. Jeder Kontakt des Kindes zum anderen Elternteil löst panikartige Verlustängste aus. Häufig werden Besuchstermine abgesagt. Dem Kind wird durch viele Entfremdungsstrategien (8, 10) ein negatives Bild des anderen Elternteils vermittelt - ein intensiver Loyalitätskonflikt wird gefördert. Im Gegensatz zum Besuchsrechtssyndrom zeigen sich beim PAS mehrere, einfach erkennbare Symptome im Verhalten des Kindes:
- Es werden Meinungen und wörtliche Formulierungen vom betreuenden Elternteil übernommen, die dessen Haltung zum anderen charakterisieren. Das Gesagte wird in nicht kindgerechter Sprache ("Er hat einen Machtkomplex.") und gekünstelter Stimmlage vorgebracht. Es werden neue Ablehnungsgründe "hinzuerfunden", das Kind wirkt beim Gespräch motorisch unruhig und gespannt.
- Nicht nur der andere Elternteil, sondern dessen gesamtes soziales und familiäres Umfeld wird in die Ablehnung miteinbezogen, zum Beispiel früher geliebte Großeltern und Freunde.
- Das Kind "spaltet": Der betreuende Elternteil ist nur "gut", der andere nur "schlecht", die natürliche Ambivalenz fehlt. Das Kind ergreift reflexhaft für den Betreuer Partei.
- Das Kind betont auffällig, dass alles, was es sage, sein eigener Wille sei ("Ich will das.").
Wenn der Entfremdungsprozess fortgeschritten und sich der betreuende Elternteil sicher ist, dass das Kind keinen Wunsch nach Kontakt zum anderen mehr äußert, betont er oft: "Ich wäre der/die Letzte, die etwas gegen Besuche hat, aber das Kind will nicht."

Ein weiteres Indiz für ein Entfremdungssyndrom ist, dass der betreuende Elternteil den anderen abwertet und den Gesprächspartner in eine Allianz gegen diesen einzubinden versucht. Gleichzeitig werden Diskurs und Vermittlungsbemühungen, die seine Person und Rolle im Trennungsprozess betreffen, jedoch ablehnt.

Mitagieren vermeiden
Es besteht die Chance, den Eltern eine stützende Therapie/Beratung oder Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe zu empfehlen. Die Selbstdarstellung von PAS-Eltern als "bedauernswertes Opfer" verführt leicht zum Mitagieren und Helferimpulsen. Die Ausgrenzungslösung wird aber dadurch vom Arzt/Therapeuten zusätzlich unterstützt. Hingegen sollte den Eltern vergegenwärtigt werden, dass:
- das Kind zum anderen Elternteil früher ein gutes und liebevolles Verhältnis hatte;
- der entfremdende Elternteil tatsächlich Unterstützung und Zuwendung benötigt, diese jedoch nicht darin bestehen kann, Ausgrenzungsbestrebungen zu unterstützen;
- es sich bei den Anschuldigungen des betreuenden Elternteils zumeist um Projektionen handelt.
Wenn aktiv entfremdendes Verhalten mit der Folge eines PAS beim Kind auffällt, muss den betreuenden Eltern einerseits das Destruktive und Unmoralische ihres Handelns vor Augen geführt werden, andererseits aber auch ihre emotionale Bedürftigkeit angenommen werden. Mit dem für Borderline-Therapien wichtigen ausgewogenen Verhältnis von Konfrontation und Empathie lassen sich entfremdende Eltern am ehesten erreichen.
Die Kinder benötigen keine Therapie. Das Verhalten normalisiert sich schnell, wenn das Kind erfährt, dass es den anderen Elternteil verlässlich und ohne Schuldgefühle besuchen und sich an der gemeinsamen Zeit erfreuen darf.

Literaturverzeichnis
1. Andritzky W: Zur Problematik kinderärztlicher Atteste bei Umgangs- und Sorgerechtsstreitigkeiten. Mit Ergebnissen einer Befragung. Kinder- und Jugendarzt 2002; 33: 885-889.
2. Andritzky W: Kinderpsychiatrische Atteste im Umgangs- und Sorgerechtsstreit - Ergebnisse einer Be-fragung. Praxis der Kinderpsychiatrie und Kinderpsy- chologie (zur Veröffentlichung angenommen).
3. Andritzky W: Verhaltensmuster und Persönlichkeits- struktur entfremdender Eltern: Psychosoziale Diagnostik und Orientierungskriterien für Interventionen. Psychotherapie in Psychiatrie, Psychotherapeutischer Medizin und Klinischer Psychologie 2002; 7: 166-182.
4. Warshak RA: Remarriage as a trigger of parental alienation syndrome. The American Journal of Family Therapy 2000; 28: 229-241.
5. Klenner W: Rituale der Umgangsvereitelung bei getrenntlebenden oder geschiedenen Eltern. Fam RZ 1995; 42: 1529-1535.
6. Fthenakis W: Kindliche Reaktionen auf Trennung und Scheidung. Familiendynamik 1995; 20: 127-154.
7. Felder W, Hausheer H: Drittüberwachtes Besuchsrecht. Die Sicht der Kinderpsychiatrie zum BGE 119, Nr. 41 Z des Bernischen Juristen Vereins 1993; 129: 698-706.
8. Gardner R: The Parental Alienation Syndrome - A Guide für Mental Health and Legal Professionals. New York: Creative Therapeutics 1998.
9. Kunkel G: Die Beziehungsdynamik im Familienrechts- konflikt. Untersuchung der Streitmuster bei strittiger elterlicher Sorge- und Umgangsregelung. Eberhard- Karls-Universität Tübingen 1997, Dissertation.
10. Clawar SS, Rivlin BV: Children Held Hostage: Dealing with Programmed and Brainwashed Children. Chica- go: American Bar Association 1991.
11. Kodjoe U, Koeppel P: Früherkennung von PAS - Mög-lichkeiten psychologischer und rechtlicher Interventionen. KindPrax 1998; 5: 138-144.
12. Gardner R: Family Threapy of the Moderate Type of Parental Alienation Syndrome. American Journal of Family Therapy 1999; 27: 195-212.
13. Vestal A: Mediation an Parental Alienation Syndrome. Considerations for an Intervention Model. Family and Conciliation Courts Review 1999; 37: 487-503.
14. Walsh M, Bone J: Parental Alienation Syndrome: an Age Old Custody Problem. Florida Bar Journal 1997; 6: 93-96.

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Heinz
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Brief eines PAS Vaters an Frau Merkel

von Heinz am 20.02.2009 17:07

Hier der Link zu dem Brief, den Frau Merkel noch nicht beantwortet hat.:-(

http://www.direktzu.de/kanzlerin/messages/18813


Von Heinz XXXXXXXX
Thema Familienpolitik
Am 04. Januar Anliegen Archiviert

Mehr Rechte für nichteheliche Kinder und deren Väter

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

ich bin ein Vater der seit Jahren auf Umgang mit meinem unehelichen Sohn klagen muss. Selbst das OLG hat nun eingesehen, das wenn eine Mutter, welche das Kind durch nachweisliche Lügen und Angst auslösende Traumatisierung, über mich als Vater und des JA's und sogar über die Polizei, kein anderes Mittel hat ( selber von einer Familiengutachterin, welche vom OLG beauftragt wurde ) , als dem Vater zu raten, weil die Mutter nicht damit aufhören wir und sie es ihr nicht verbieten können, zum Wohle des Kindes, vorerst auf Umgang zu verzichten, bis sich der Junge gefestigt hat, und mit der ablehnenden Haltung der Mutter, besser umgehen kann. Unstrittig ist hierbei, das ein solches Verhalten einer Mutter Kindesmisshandlung ist. Nur die Art ist sehr schwer nachzuweisen. Das selbe Gericht hat zwei Jahre zuvor mir meinen Umgang bewilligt. Für einige Monate fanden dann auch, obwohl mehrfach mit Schwierigkeiten die von Seiten der Mutter ausgingen, Umgangskontakt, auch mit Übernachtungen bei mir, statt . Dann setzte die Mutter den Umgang einfach aus, weil sie wohl eine neue Kernfamilie gründen wollte. Ich bekam eines Morgens eine SMS " gebe P...... nicht mehr raus! Bekommst von meinem RA Bescheid. Ich bin nachweislich kein Einzelfall. Deshalb finde ich nicht das es ein zu persönliches Anliegen ist und desshalb auch ruhig veröffentlicht werden kann. Die Staatsanwaltschaft sagt das sie nur den § 235 habe!!!! Dieser aber nicht greifen würde, da das Kind nicht in das Ausland verbracht würde. Das JA , Elternberatungsstelle und psychologische Einrichtungen wissen mit der Mutter nicht weiter!!!
Bitte befassen Sie sich in der Regierung damit, damit es Vätern wie mir und deren Kindern geholfen werden kann und es weniger PAS Väter geben wird. Kinder brauchen beide Elternteile!!!!!
Was meinen Sie, wie man davon betroffenen Kindern und deren Vätern helfen kann?????

Mit den besten Wünschen für ein besseres 2009

Antworten Zuletzt bearbeitet am 24.03.2009 12:54.

Heinz
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Was Richter wissen, aber nicht befolgen!!!

von Heinz am 07.02.2009 18:14

Sehr geehrter Herr XXXXXX,

die Durchsetzung von Umgangsrechten gehört zu den sensibelsten und
schwierigsten Themen des Kindschaftsrechts. Der Gesetzgeber ist sich
dieser Situation bewusst und hat vor allem mit der
Kindschaftsrechtsreform von 1998 Gesetzesänderungen vorgenommen, um den
Kontakt des Kindes zu beiden Elternteilen auch nach deren Trennung so
weit wie möglich aufrechtzuerhalten. Gemäß § 1684 Abs. 2 BGB haben die
Eltern alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils
anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert. Gibt es
Schwierigkeiten bei der Durchsetzung des Umgangsrechts, können Eltern
und Kinder das Jugendamt um Vermittlung und Hilfestellung bitten (§ 18
Abs. 3 Satz 4 Achtes Buch Sozialgesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe -
SGB VIII). Wird die Durchführung einer gerichtlichen Umgangsentscheidung
vereitelt oder erschwert, können die Eltern auch eine gerichtliche
Vermittlung beim Familiengericht beantragen (§ 52a des Gesetzes über die
Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FGG). Darüber hinaus
sieht das Gesetz auch schärfere Maßnahmen vor, um auf die Einhaltung
gerichtlicher Umgangsentscheidungen hinzuwirken. Je nach den Umständen
des Einzelfalls kommt z.B. die Androhung und Festsetzung von Zwangsgeld
in Betracht (§ 33 FGG). Daneben kann beim Familiengericht die
Einschränkung oder Übertragung des Sorgerechts (§§ 1666, 1671, 1696 BGB)
beantragt werden, die gegebenenfalls mit der Bestellung eines
Ergänzungspflegers (Umgangspflegers) verbunden werden kann. Schließlich
kann das Familiengericht den Unterhaltsanspruch des betreuenden
Elternteils gegen den umgangsberechtigten Elternteil kürzen oder
versagen, wenn der betreuende Elternteil den Umgang massiv und
schuldhaft vereitelt (§ 1579 Nr. 6 BGB).

Mit dem Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen, das im
Juli 2008 in Kraft getreten ist, sind außerdem Vorschriften zur
Beschleunigung des Verfahrens eingeführt worden. Dabei soll das Gericht
versuchen, mit den Beteiligten schnell eine einvernehmliche Lösung zu
erreichen. Gelingt dies nicht, wird es den Erlass einer einstweiligen
Anrodnung prüfen müssen. Dadurch soll auch die von Ihnen angesprochene
Entfremdung verhindert werden.:red:

Mit der Reform des Verfahrens in Familiensachen und den Angelegenheiten
der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reform), die am 1. September 2009
in Kraft treten wird, soll zudem die Vollstreckung von
Umgangsentscheidungen effektiver werden. Bei Verstößen gegen
Verpflichtungen aus Umgangsentscheidungen sollen künftig nicht mehr
Zwangsmittel, sondern Ordnungsmittel verhängt werden. Diese können auch
dann noch festgesetzt und vollstreckt werden, wenn der konkret
angeordnete Umgang - etwa Besuch während der Weihnachtsferien - wegen
Zeitablaufs nicht mehr erzwungen werden kann.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries

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